Der Begreifler über den Plot

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

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Wenn Autoren – Autorinnen geht es da nicht anders – davon sprechen, dass sie gerade plotten, oder dass sie sich gerade in der Plotphase befinden, meinen sie damit: „Ich erfinde und entwickle gerade den Plot meiner Geschichte.“

Aber was ist dieser Plot? Zunächst einmal ist es einfach ein englischer Begriff, den man als Komplott ins Deutsche übersetzen kann. Gebraucht wird er in der Literaturwissenschaft als Synonym für Handlung im Sinne einer  Ereignisfolge in einem literarischen Werk. Ein weiteres Synonym dafür ist der Begriff der Fabel.

Wie das mit Synonymen so ist, herrscht in der Regel nicht vollkommene Bedeutungsgleichheit zwischen ihnen. Man spricht zwar bei einem Pferd auch gern mal von einem Ross, aber für einen Ackergaul würde man den Begriff wohl nur mit ironischem Unterton verwenden. Wissenschaften haben außerdem die Angewohnheit – und da bildet die Literturwissenschaft beileibe keine Ausnahme –, nicht einheitlich zu sein, auch und erst recht nicht in den Begrifflichkeiten. Wo also der eine Literaturwissenschaftler von Handlung spricht, redet der zweite über die Fabel, während der dritte vom Plot fabuliert. Und es mag sich ein weiterer hinzugesellen, der die Begriffe gar nicht unterscheidet, während wieder ein anderer noch einen neuen dazuerfindet.

Auf weitgehend sicherem Boden bewegt man sich heutzutage – und kommt damit auch den eifrig plottenden Autorinnen und Autoren entgegen –, wenn man Plot als den spezifischsten der drei Begriffe ansieht. Ich will versuchen, die Begriffe stark vereinfacht zu unterscheiden.

Die Handlung ist das, was geschieht. Eine Reihe von chronologisch geordneten Geschehnissen also, die beispielsweise in einem Roman zusammengefasst werden (verwirre ich, wenn ich sage, dass manche hier auch von der Story sprechen?). Im Roman wird also (mittels eines Erzählers) von dem erzählt, was geschieht. Es wird von (!!!) der Handlung erzählt. Notwendigerweise muss die Erzählung einiges, was geschieht – also Teile der Handlung –, auslassen.

Natürlich ist die Handlung vom Autor bzw. der Autorin erdacht (oder doch wenigstens verfremdet, wenn sie beispielsweise auf realen Begebenheiten beruht) und unterliegt damit bereits einer gewissen Struktur. So geschieht vielleicht einiges in Ort A. Dies und jenes ereignet sich dort, die Figuren handeln auf diese und jene Weise, ziehen schließlich zu Ort B, wo wieder einiges geschieht. Nun wird uns aber möglicherweise manches, was hier und dort geschieht, gar nicht erzählt. Oder es wird nur angedeutet. Anderes erfahren wir nur, weil eine Figur davon berichtet. Und dass die Figuren von A nach B reisen müssen (wobei ja auch etwas geschieht, selbst wenn es nur langweiliges Zeugs ist), können wir uns schließlich denken. Ja, selbst dann, wenn wir in Ort B gemeinsam mit den Figuren in einem Wirtshaus am Tisch sitzen und in einer ergreifenden Szene hautnah miterleben, wie der Wirt drei Krüge mit Bier an den Tisch bringt, fragen wir uns nicht, wo er die so schnell hergezaubert hat. Wir haben zwar nichts davon gelesen, gehen aber davon aus, er habe sie kurz zuvor hinter dem Tresen gezapft.

Der Begriff der Fabel wird in diesem Zusammenhang meist entweder deckungsgleich mit Handlung (Story) verwendet oder aber als bereits erzählerisch strukturierte (fabulierte) Wiedergabe der Handlung aufgefasst. In diesem zweiten Verständnis wäre die Fabel einer Geschichte die (chronologische) Folge der erzählten Geschehnisse der Handlung. Das Bierzapfen wäre in dem Beispielfall also Teil der Handlung, aber nicht Teil der Fabel, weil es nicht erzählt wird.

Und damit sind wir endlich beim Plot. Wie mit dem Begriff der Fabel im zweiten Verständnis ist mit dem Begriff Plot erzählerisch strukturierte Handlung gemeint. Auch der Plot besteht also nur aus den Teilen der Handlung, die erzählt werden. Anders als die Fabel ist der Plot aber nicht nur eine Reihe erzählter Ereignisse, sondern er beinhaltet gleichzeitig deren gleichermaßen kausale wie kunstvolle (mit künstlerischen Mitteln gestaltete) Verknüpfung. Einen Plot gibt es also (zumindest in diesem Sinne) nur dort, wo Handlung mit einer bestimmten Wirkungsabsicht so gestaltet wird, dass eine kausale Ereigniskette entsteht (kausal = Ursache – Wirkung bzw. Aktion – Reaktion).

Streng genommen gilt in diesem Verständnis also, dass jede Erzählung Handlung in einer Fabel strukturiert, aber nicht jede Erzählung auch einen Plot besitzt:

Fabel: Tommi ging ein Eis essen, dann besuchte er Rosi.

Plot: Tommi ging ein Eis essen. Er erinnerte sich, dass er vor zwei Wochen mit Rosi in diesem Café gewesen war. Deshalb besuchte er sie.

Plot: Tommi ging ein Eis essen. Er hatte gehofft, Rosi im Café zu treffen, doch sie war nicht da. Also besuchte er sie.

Plot: Tommi besuchte Rosi, weil sie zur Verabredung im Eiscafé nicht erschienen war.

Wenn wir Plot also in diesem Sinne begreifen, lässt sich noch feststellen, dass sich im Rahmen der jeweiligen Kausalkette, die den Plot bestimmt, Handlungsgeschehnisse danach sortieren lassen, ob sie zum Plot gehören oder nicht. Die Aufgabe des plottenden Autors oder der plottenden Autorin besteht damit unter anderem darin, eine Ereignisskette zu erschaffen, deren Glieder vollständig dem zu erzählenden Plot zuzuordnen sind:

Tommi ging ein Eis essen. Im Café ging er einmal aufs Klo. Später erinnerte er sich, dass er vor zwei Wochen mit Rosi in diesem Café gewesen war. Deshalb besuchte er sie.

 In dieser Kausalkette besitzt der Klogang keine Funktion. Er wird kein Kausalzusammenhang zu den vorhergehenden und nachfolgenden Ereignissen hergestellt. Aber:

Tommi ging ein Eis essen. Als er aufs Klo musste, erinnerte er sich, dass er zwei Wochen zuvor auf dem Weg zu eben diesem Örtchen Rosi kennengelernt hatte, und beschloss, sie zu besuchen.

Der Begreifler über Charaktere mit Figur

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

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Vor einiger Zeit fiel mir in einem Forum eine Diskussion darüber auf, ob Blogger, die bei Buchbesprechungen von Charakteren statt von Figuren schreiben, damit einen (unverzeihlichen) Fehler begehen. Ersterer Begriff sei eine unzulässige Eindeutschung aus dem Englischen, die man dringend zu vermeiden habe.

Stimmt das? Und wenn nicht, sind dann die Begriffe vollständig synonym?

Jedenfalls sind Figuren (außer im Falle einer ironisierenden oder abwertenden Bezeichnung) keine Personen. Personen sind etwas Reales, sind oder waren einmal wirklich am Leben. Figuren dagegen werden künstlich erschaffen, im Falle der Literatur also als Teil der Fiktion (selbst dann, wenn sie sich an realen Vorbildern orientieren).

Jeder und jede, der/die in einer Fiktion seinen/ihren Auftritt hat, ist also eine Figur. Manche von ihnen treten allerdings nur als Typen auf, andere sind echte Charaktere. Zu dieser Unterteilung heißt es bei Wilpert:

Type, Typus (griech. typos = Schlag, Gestalt), bestimmte überindividuell unveränderl. Figur mit feststehenden Merkmalen […]

Charakter (griech. = das Eingeprägte), in der Literaturwissenschaft allg. jede in e. dramat. oder erzählerischen Werk auftretende, der Wirklichkeit nachgebildete oder fingierte, aber durch individuellere Charakterisierung in ihrer persönl. Eigenart von den bloßen unprofilierten Typen abgehobene Figur einer Dichtung.

Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989

Wir haben es also in literarischen Werken mit Figuren zu tun, die entweder nur einen bestimmten Typus* (der Polizist, der Bote) verkörpern oder aber individuell gestaltete Charaktere sind.

*Natürlich können Typen auch versehentlich entstehen, wenn es dem Autor nicht gelingt, eine Figur individuell zu charakterisieren, im Allgemeinen darf man aber davon ausgehen, dass hinter der Verwendung eines Typus durchaus Absicht steckt.

Was war noch gleich ein Hook?

Hook

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Der Begriff Hook wird in der Drehbuchdramaturgie entweder als Synonym für den ersten Akt verwendet oder, um denjenigen „Kniff“ zu bezeichnen, der den Zuschauer (oder auch den Leser) in die Geschichte hineinziehen soll. Dieser „Haken“ wirkt wie ein Köder, um die Neugier zu wecken. Da, was immer dieser Aufhänger im konkreten Fall ist (ein Mord, ein Rätsel, eine Figur, …), wesentlicher Teil des ersten Aktes (Exposition) ist, spricht man auch vom Hook, wenn man den gesamten ersten Akt meint.

Oldies: Behuf

Der Begriff stammt nicht etwa aus der Fachsprache der Reiter, sondern aus der Amtssprache. Er bedeutet „Zweck, Erfordernis“ und gehört zum althochdeutschen bihoubida „Erwartung“ und dem mittelhochdeutschen behuof „das zu einer Sache Nötige“. Aus dem Englischen kennen wir behoof „Nutzen, Vorteil“.

Mag uns der Behuf in der Amtssprache noch hin und wieder begegnen, dürfte die entsprechende Präposition (mit Genitiv) behufs „zwecks, zum Zwecke“ praktisch ausgestorben sein. Erklärt doch einmal eurem Arbeitgeber:

Behufs eines Hausbaus benötige ich eine Gehaltserhöhung.

Das Neuner-ABC: Von eifernden Nachahmern

Sie ahmte lieber den Klassenclown nach, statt dem Streber nachzuahmen.

Im Beispiel haben wir zweimal nachahmen, doch im ersten Fall steht es mit dem Akkusativ (den Klassenclown), im zweiten mit dem Dativ (dem Streber). Hängt das mit den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes zusammen?

Sie äffte lieber den Klassenclown nach, statt dem Streber nachzueifern.

Die richtigen Synonyme haben wir nun gefunden, einmal nachäffen, kopieren, einmal nacheifern, nachstreben, sich jemanden zum Vorbild nehmen.

Tatsächlich scheint es also, dass  in ersterer Bedeutung mit dem Akkusativ, in zweiterer mit dem Dativ verbunden wird. Und tatsächlich wird gelegentlich diese Meinung vertreten.

Der heutige Gebrauch widerspricht dem aber, denn in der Regel wird nachahmen in der einen wie der anderen Bedeutung mit dem Akkusativ gebraucht.

Sie ahmte lieber den Klassenclown nach, statt den Streber nachzuahmen.

Der Dativ wird dagegen eher als ungewöhnlich betrachtet. Ohnehin wird nachahmen in der Bedeutung nacheifern nur noch selten gebraucht.

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Das Neuner-ABC: Was ist das?

Oldies: Abgunst

Noch nie gehört? Das Wort ist auch mindestens im Aussterben begriffen. Moderne Wörterbücher führen es meist nicht mehr. Kaum verwunderlich, wird doch selbst die Gunst nur noch bei den wenigsten Deutschen im aktiven Wortschatz vorkommen.

Immerhin verwenden wir günstig weit häufiger, wenn auch in anderen Zusammenhängen, kaum als Gegenteil von missgünstig. Das ist nun wieder ein Synonym zum ebenfalls kaum noch bekannten abgünstig, womit wir wieder bei der Abgunst angekommen sind, die sowohl Missgunst bedeutet als auch Abneigung. Auch das Misstrauen ist damit gemeint. Demenstsprechend ist derjenige, der uns abgünstig ist, mindestens misstrauisch, wenn nicht gar übelwollend.

Das Neuner-ABC: à

„à“ ist eine Präposition, die wir aus dem Französischen  übernommen haben und als Synonym zu „zu“ verwenden. Das dürfte den meisten bekannt sein.

Ich habe drei Kisten Bier à zwanzig Flaschen gekauft.
Ich habe drei Kisten Bier zu (je) zwanzig Flaschen gekauft.

„à“ wird in der Kaufmannssprache verwandt. Was aber weniger bekannt sein dürfte, gerade weil es für Entlehnungen aus dem Französischen eher ungewöhnlich ist: Abseits der Kaufmannssprache gilt die Präpositon im Deutschen als umgangssprachlich.

Das Neuner-ABC: Was ist das?