Der Begreifler über Textredaktion

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

Der Begreifler
(Foto: © Stocksnapper)

Textredaktion ist das, was dem Verlagsautor im Verlagslektorat automatisch zukommt. Zumindest sollte es so sein. Der Lektor, der dann auch Redakteur genannt wird, arbeitet so lange mit dem Autor am Text, bis eine Version entstanden ist, die (hoffentlich) beide zufriedenstellt, und die nur noch das abschließende Endkorrektorat benötigt, um Druckreife zu erlangen.

Dazu durchläuft der Text mehrere Lektoratsdurchgänge, manchmal sogar bei zwei oder mehr Redakteuren. Oft konzentrieren sich die einzelnen Durchgänge dabei auf verschiedene Schwerpunkte, so wird etwa im ersten Durchgang vorwiegend auf inhaltliche Probleme – Unstimmigkeiten im Plot, logische Fehler, Schwächen in der Figurencharakterisierung und -entwicklung, Recherchefehler usw. – geachtet. Nach jedem Durchgang erhält der Autor den redigierten Text mit Anmerkungen und/oder Korrekturen zurück, um diese einzuarbeiten oder auch zu diskutieren.

Was im Verlagskorrektorat Standard ist, würde für den Autor, der auf die Arbeit eines freien Lektors angewiesen ist, leider einen enormen Kostenaufwand bedeuten (der natürlich für den Verlag letztlich ebenso besteht). Verständlicherweise beschränken sich die meisten Kunden eines freien Lektors daher auf einen einzigen Lektoratsdurchgang. Dass damit letztlich kein perfektes Ergebnis erzielt werden kann, sollte einleuchten und beruht im Wesentlichen auf drei Faktoren:

  1. Der Ausgangstext hat in der Regel keiner Qualitätsprüfung standhalten müssen. Das Endergebnis ist aber wesentlich von der Qualität des Ausgangsprodukts abhängig. Das gilt nicht nur beim Kochen.
  2. Ein Lektor ist kein Wunderkind. Auch er kann nicht alle Schwächen auf Anhieb ausmachen, nicht jeden Fehler beim ersten Korrigieren entdecken und schon gar nicht bei einmaligem Lesen alle Textzusammenhänge erfassen. Das gilt besonders, wenn der Lektor eben nicht nur im Sinne eines Korrektors eine Fehlerkorrektur durchführen, sondern gleichzeitig Sprach- und Erzählstil verbessern sowie möglichst alle inhaltlichen Probleme erfassen soll.
  3. Bei einem solchen Lektorat bildet die Arbeit des Autors den Abschluss. Er muss die Anmerkungen des Lektors umsetzen (wenn er sich der Meinung des Lektors überhaupt anschließt) und entsprechende Änderungen sowie Korrekturen vornehmen. Eine abschließende Kontrolle, ob diese Überarbeitung zu einem gelungenen Ergebnis geführt und nicht etwa neue Probleme herbeigeführt hat, bleibt aus.

Wer also bereit ist und die Möglichkeit hat, mehr zu investieren, sollte nach dem Lektorat mindestens noch ein Endkorrektorat in Auftrag geben. Manche Lektoren bieten dieses deutlich günstiger (oder gleich im Paket) an. Eventuell gilt das auch für eine echte Textredaktion mit mehreren Lektoratsdurchgängen. Der Textredaktion ähnliche Angebote sind Coaching beziehungsweise Projekt-/Manuskriptbetreuung.

Subjektiv ohne Honig

Lektoratspraxis, Foto: Dmitriy Shironosov

© Dmitriy Shironosov

Wer die Dienste eines Lektors oder einer Lektorin in Anspruch nehmen will, sollte sich zuvor zwei Dinge unbedingt noch einmal klarmachen:

  1. Lektor hin, Lektor her, auch der kann letztlich nur seine subjektive Meinung zu deinem Text aussprechen. Sicher, in Fragen von Orthografie und Grammatik, ja sogar teilweise beim Stil kann er sich an Regeln halten, darüber hinaus darfst du auch gern davon ausgehen, dass alle weiteren Anmerkungen des Lektors gute Gründe haben, da sie auf Kenntnis der Materie und Erfahrung beruhen. Subjektivität lässt sich aber nun mal nicht verbannen, die Anmerkungen des Lektors können nur Vorschläge sein, die Entscheidung, welchen Vorschlägen du zustimmst und welchen nicht, bleibt immer bei dir hängen.
  2. Der Gang zum Lektor (sofern es sich bei dem um ein vorzeigbares Exemplar seiner Zunft handelt) gleicht dem Gang zum Zahnarzt. Da gibt es nämlich auch keinen Honig ums … auf die Zähne geschmiert. Das wäre schließlich nicht gut für die kleinen Beißerchen. Du bezahlst stattdessen dafür, dass dieser Mensch dir wehtut. Natürlich geht es dem Lektor (jedenfalls den meisten) nicht darum, dir Schmerzen zuzufügen, sondern darum, die Zä… den Text zu heilen. Und warum solltest du zu einem Lektor gehen, wenn du überzeugt wärest, dein Text sei vollkommen gesund? Das Problem ist allerdings, dass viele damit rechnen, mit ein wenig Polieren sei es getan, und sich wundern, wenn der Lektor eine Wurzelbehandlung vorschlägt.

Der Begreifler über Korrekturen

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

© Stocksnapper

In der Vorstellung vieler beinhaltet ein Lektorat kaum mehr als ein Korrektorat. Wenn jemand ihren Text hinsichtlich der Rechtschreibung, Zeichensetzung und sonstiger grammatischer Fehler durchsucht hat, meinen sie, einen lektorierten Text zurückzuerhalten.

Aber genau das ist die Aufgabe des Korrektorats, nicht des Lektorats. Der Korrektor korrigiert, er lektoriert nicht. Er konzentriert sich also auf sprachliche Fehler, auf Grammatik inklusive Orthographie. Ob der Text in anderer Hinsicht seine Funktion erfüllt, ob der Stil passt, ob er so aufgebaut ist, dass er die optimale Wirkung beim Adressaten erzielt, ob die innere Logik stimmt, ob er stringent ist, ob er gut recherchiert ist, all das und noch mehr ist nicht Sache des Korrektors.

Damit ist die Korrektur eines Textes in aller Regel der letzte Schritt, bevor der Text auf seine(n) Adressaten losgelassen wird. Bis dahin muss bereits alles andere stimmen (bzw. der Auftraggeber der Ansicht sein, dass dies der Fall ist). Schließlich würden spätere Änderungen hinsichtlich anderer Aspekte die Notwendigkeit nach sich ziehen, die geänderten Abschnitte erneut Korrektur zu lesen.

Im Grunde ist es so, dass Korrektorate zum Tätigkeitsfeld des Lektors gerechnet werden. Die meisten freien Lektoren bieten ebenso reines wie abschließendes Korrektorat an bzw. ein ins Lektorat integriertes Korrektorat, was dann meist bedeutet, dass beides in einem Arbeitsgang abgehandelt wird.

Dennoch sind Spezialisierungen beinahe eine logische Folge. Lektorat und Korrktorat sind durchaus so verschiedene Dinge, dass es nicht verwunderlich ist, wenn jemand das eine besser beherrscht als das andere.

SÜ: To do or not to do

Lust auf eine kleine Übung? Dann nimm dir den folgenden Text vor. Er ist alles andere als ein Beispiel für einen „bewegenden“ Text. Das liegt am sogenannten Nominalstil. Viele Substantive machen ihn statisch. Vielleicht kannst du ihm ein paar Verben verpassen.

Die Notwendigkeit des Lesens des Morgenzeitungsartikels war nicht auf Anhieb einleuchtend für ihn. Es bedurfte mehrerer Aufforderungen und Drohungen seiner mit Auf-und-Ab-Gehen beschäftigten Frau, bevor es zu einem seinerseitigen Einsehen kam, das von genervtem Schulterzucken begleitet wurde.

SÜ: Aktiv werden

Lust auf eine kleine Übung? Dann nimm dir den folgenden Text vor. Er ist alles andere als ein Beispiel für einen „bewegenden“ Text. Vor allem Passiv- und Partizipialsätze machen ihn statisch. Vielleicht kannst du ihn ein bisschen überarbeiten, indem du ihm das Passive und die Partizipien nimmst.

Langsam zurückweichend und am ganzen Körper zitternd starrte Susi den Mann an. Sie wurde von ihm mit Blicken ausgezogen. Mit den Händen Halt suchend wurde sie von den Tränen übermannt. Verzweifelt um Hilfe rufend wurde ihr Rückzug durch die Hauswand gestoppt. Das Gesicht des Mannes wurde durch ein Grinsen in die Breite gezogen. Die letzte Hoffnung aufgebend wollte sich Susi schon ihrem Schicksal ergeben, als die Situation durch das Auftauchen eines Polizisten eine glückliche Wendung nahm.

Aus Partizip!

Klaus brachte fluchend den Müll runter.

In diesem Satz steckt das Partizip fluchend. Es bestimmt näher, wie Klaus den Müll runterbringt, wird in diesem Fall also adverbial gebraucht*. Das bedeutet auch, dass die Hauptaussage des Satzes ist, dass Klaus den Müll runterbringt, während sein Fluchen diese Aussage nur näher erläutert.

Wollen wir das Fluchen betonen, also des Lesers volle Aufmerksamkeit auch auf das Fluchen richten, sollten wir aus dem Partizip wieder ein Vollverb machen:

Klaus brachte den Müll runter und fluchte (dabei).

Man beachte, dass auf diese Weise nicht nur ein Akzent auf das Fluchen gesetzt wird, es wird erst durch die Rückverwandlung in ein Verb wieder zu einer Aktion.

Aber zurück zum Partizip: Das Partizip kann man rein theoretisch beliebig erweitern:

Klaus brachte leise fluchend den Müll runter.
Klaus brachte auf Gott und die Welt fluchend den Müll runter.
Klaus brachte auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder fluchend den Müll runter.

Was damit entsteht, ist der sogenannte Partizipialsatz, auch satzwertiges Partizip genannt. Um die Gliederung deutlich zu machen oder Missverständnisse zu vermeiden, könnte man ihn in Kommata einschließen. Dennoch geht mit zunehmender Länge der Partizipialgruppe die Übersicht verloren.

Auch die Gewichtung verschiebt sich. Rein grammatisch liegt die Betonung noch immer auf der Hauptaussage, dass Klaus den Müll runterbringt, doch spätestens im dritten Beispiel ist diese Hauptaussage kaum noch hinter dem Partizipwulst zu erkennen.

Das Partizip bleibt aber nun mal Partizip, wird, egal wie viel Gewicht es trägt, nicht zu einem finiten Verb. Keine Aktion! Folge: Je länger das satzwertige Partizip, desto statischer der gesamte Satz.

Wenn also nicht gerade besondere stilistische Effekte erwünscht sind, ist es immer besser, sich von solchen Konstruktionen fernzuhalten und stattdessen zwei Hauptsätze oder Haupt- und Nebensatz zu formulieren.

Klaus fluchte auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder, während er den Müll runterbrachte.

Ich behandle dieses Thema schon zum zweiten Mal, diesmal allgemeiner. Wen noch der kleine Artikel interessiert, den ich damals direkt für Autoren geschrieben habe, der kann ihn hier nachlesen.

__________

*Partizipien können natürlich auch attributiv, etwa als Begleiter eines Substantivs, gebraucht werden. An den Problemen, die sie mit sich bringen, ändert sich dadurch nichts:

Der (auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder) fluchende Klaus brachte den Müll runter.

Adjektivitis und ihre Folgen

Mein neuer Artikel bei mySTORYs beschäftigt sich mit den in Autorenkreisen viel gescholtenen Adjektiven:

Heilbare Krankheit: Adjektivitis

Hast du Komplexe?

Lust auf eine kleine spielerische Übung? Dabei soll es darum gehen, aus zwei einfachen Sätzen ein komplexeres Gebilde zu schaffen, das aus einem Satz mit zwei Teilsätzen besteht. Nicht etwa, weil komplexere Sätze grundsätzlich die bessere Wahl wären, sondern weil es hilfreich ist, die Möglichkeiten des Satzbaus zu kennen.

Ein Beispiel:

Peter wusch sich die Hände. Dann  schälte er Kartoffeln.
Peter wusch sich erst die Hände, dann schälte er Kartoffeln.
Peter wusch sich die Hände, bevor er Kartoffeln schälte.
Bevor Peter Kartoffeln schälte, wusch er sich die Hände.
Peter schälte Kartoffeln, nachdem er sich die Hände gewaschen hatte.
Peter hatte sich zuvor die Hände gewaschen, als er Kartoffeln schälte.

Natürlich kannst du dir schon die Ausgangssätze selbst aussuchen. Oder du nimmst die, die ich im Folgenden vorgebe. Versuche immer, so viele Varianten wie möglich zu finden. Achte dabei auch auf die grammatischen Zeitformen in den Ausgangssätzen.

Suche zunächst nach Varianten, die möglichst nah an der Vorgabe bleiben. Dann kannst du kreativer werden, solange die Grundaussagen sich nicht verändern.

Petra schaut Fernsehen. Peter deckt (derweil) den Tisch.
Petra ging es schlecht. Sie hatte zu viel gegessen.
Peter will sich ein Auto kaufen. Er hat genug Geld gespart.
Petra wollte gleich abwaschen. Erst würde sie aber noch den Film zu Ende sehen.
Peter war traurig. Petra brachte ihm ein Taschentuch.

Das Quiz: Kannst du etwas dafür?

Der folgende Satz ist standardsprachlich nicht korrekt:

Da kann ich nichts für.

Wie müsste er richtig heißen, wenn man die Umgangssprache vermeiden will?

Jugend kreativ

Seit dem 29.11.2010 steht es fest, das Jugendwort des Jahres:

Niveaulimbo.

Dieses Wort bezeichnet „das ständige Absinken des Niveaus“. Es wurde von einer Jury aus 15 Wörtern gewählt, die mit 38.000 Stimmen durch die Jugendlichen selbt nominiert worden sind.

Geradezu erstaunlich, mit welcher Kreativität hier die beiden aus völlig unterschiedlichen Bereichen stammenden Begriffe Niveau und Limbo zu einem neuen Wort mit neuer Bedeutung zusammengesetzt wurden.

Wer nun glaubt, da sei unseren Jugendlichen mal ein Zufallstreffer gelungen, den sollten ähnlich kreative Schöpfungen unter den Top 15 eines Besseren belehren.

Etwa Änderungsfleischerei für eine Klinik für Schönheitschirurgie. Oder Arschfax für das Etikett einer Untehose, das aus der Hose hängt. Ich ertappe mich selbst manchmal beim Egosurfen, wenn ich nämlich in Internetsuchmaschinen nach mir selber suche.

Sagt eurem Partner doch mal, er sei emotional flexibel, verratet ihm aber nicht, dass ihr damit launisch meint. Und er oder sie wird es möglicherweise gar als freundliches Lob auffassen, wenn ihr ihn oder sie als Hochleistungs-Chiller betitelt, womit ihr eigentlich auf seine extreme Faulheit hinweist.

Und vielleicht versöhnt ja dann ein Urlaub in der Klappkaribik. Wo das ist? Fragt mal im Sonnenstudio nach.