Der Begreifler über Charaktere mit Figur
24. Juni 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Vor einiger Zeit fiel mir in einem Forum eine Diskussion darüber auf, ob Blogger, die bei Buchbesprechungen von Charakteren statt von Figuren schreiben, damit einen (unverzeihlichen) Fehler begehen. Ersterer Begriff sei eine unzulässige Eindeutschung aus dem Englischen, die man dringend zu vermeiden habe.
Stimmt das? Und wenn nicht, sind dann die Begriffe vollständig synonym?
Jedenfalls sind Figuren (außer im Falle einer ironisierenden oder abwertenden Bezeichnung) keine Personen. Personen sind etwas Reales, sind oder waren einmal wirklich am Leben. Figuren dagegen werden künstlich erschaffen, im Falle der Literatur also als Teil der Fiktion (selbst dann, wenn sie sich an realen Vorbildern orientieren).
Jeder und jede, der/die in einer Fiktion seinen/ihren Auftritt hat, ist also eine Figur. Manche von ihnen treten allerdings nur als Typen auf, andere sind echte Charaktere. Zu dieser Unterteilung heißt es bei Wilpert:
Type, Typus (griech. typos = Schlag, Gestalt), bestimmte überindividuell unveränderl. Figur mit feststehenden Merkmalen […]
Charakter (griech. = das Eingeprägte), in der Literaturwissenschaft allg. jede in e. dramat. oder erzählerischen Werk auftretende, der Wirklichkeit nachgebildete oder fingierte, aber durch individuellere Charakterisierung in ihrer persönl. Eigenart von den bloßen unprofilierten Typen abgehobene Figur einer Dichtung.
Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989
Wir haben es also in literarischen Werken mit Figuren zu tun, die entweder nur einen bestimmten Typus* (der Polizist, der Bote) verkörpern oder aber individuell gestaltete Charaktere sind.
*Natürlich können Typen auch versehentlich entstehen, wenn es dem Autor nicht gelingt, eine Figur individuell zu charakterisieren, im Allgemeinen darf man aber davon ausgehen, dass hinter der Verwendung eines Typus durchaus Absicht steckt.
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