Das unhöfliche Schnitzel

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte er Lisa.
Zwischen zwei Bissen von ihrem Schnitzel nickte sie.

Was ist an diesem kurzen Textbeispiel zu bemängeln? Nichts! Wenn der Autor zeigen will, dass Lisa nicht gerade ein Ausbund an Höflichkeit ist. Oder dass sie ihr Gegenüber nicht besonders wertschätzt. Vielleicht handelt es sich auch um eine Situation, in der gezeigt werden soll, wie hungrig Lisa ist.

Zum Problem wird es erst, wenn, wie es im vorliegenden Fall tatsächlich war, der Autor nur nach einer Möglichkeit gesucht hat, dem Leser zu zeigen, was Lisa isst. Es ging also nur um das Schnitzel, während Lisa eigentlich weder unhöflich noch ausgehungert dargestellt werden sollte.

Es ist durchaus ein guter Ansatz, Informationen, so sie denn wichtig sind, nebenbei einfließen zu lassen. Aber man sollte dabei darauf achten, nicht unbeabsichtigt zusätzliche Zeichen an den Leser zu vermitteln.

Über Gänsefüßchen stolpern

Sie sind schon so klein und doch kann man leicht darüber stolpern, Anführungsstriche oder die sogenannten „Gänsefüßchen“. Denn neben der Kennzeichnung der wörtlichen Rede oder von Zitaten stehen Gänsefüßchen eben vor allem für das Sogenannte. Das, von dem man deutlich machen will, dass es eigentlich gar nicht so gemeint ist, dass man sich von dem Ausdruck, der eingefüßelt wird, meist in ironischer Weise distanziert.

Diesmal hat er nicht gewonnen, sondern ist „nur“ Zweiter geworden.
Seine „selbstlose“ Liebe ging so weit, dass er sie im Keller einsperrte.

Sind sie in diesen Beispielen ein eindeutiges Stilmittel, das wie jedes andere Stilmittel sparsam angewandt die erwünschte Wirkung beim Leser erzielt, scheint es einen Trend zu geben, Texte möglichst witzig zu gestalten, indem man über ihnen einen ganzen Sack dieser Gänsefüßchen ausschüttet. Bei manchem Romanmanuskript eines angehenden Autors könnte man sich fragen, warum er nicht einfach den gesamten Text in Anführungsstriche gesetzt hat. Das hätte sogar noch weniger Mühe gemacht, als am Ende den Hinweis zu setzen, dass der ganze Text eigentlich nicht so gemeint war.

Da trifft man dann während des Lesens auf Sätze wie:
Sie „begrabbelten“ sich.
Er ging ihr mächtig auf den „Keks“.
Nach den Anstrengungen des Tages gingen sie völlig geschafft „pennen“.

Zunächst muss der Leser kapieren, dass, wie es die Gänsefüßchen vermuten ließen, die Akteure nicht etwa das Gegenteil von dem tun, was der Erzähler ihnen andichtet, sondern dass sie sich tatsächlich begrabbeln, auf den Keks gehen oder in die Falle fallen. Was also bezweckt der Autor mit den Latschen des Federviehs?

Nun, er meint, diese Vermutung liegt zumindest nahe, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen hofft er, damit einen ironischen Grundton in seinen Text zu bringen, zum anderen entschuldigt er sich gleichzeitig für die umgangssprachliche Ausdrucksweise.

Nun ist es zum einen durchaus das Recht eines Autors, in seinem Text, so es denn zum Stil des Textes, zum Erzähler oder zur Figur passt, Umgangssprache zu verwenden, zum anderen verstärken die Gänsefüßchen eher noch den Eindruck der Unsicherheit auf Seiten des Autors. Man fragt sich, ob er, statt sich bewusst dafür zu entscheiden, einen Ausdruck nicht eher aus Verlegenheit gewählt hat. Die häufig noch zunehmende Fülle an Gänsefüßchen, die schließlich auch vor völlig unproblematischen Ausdrücken nicht mehr Halt machen (Leise „schlichen“ sie sich an.) verstärkt einen solchen Eindruck noch.

Ähnliches kann man übrigens nicht nur in Romanmanuskripten beobachten. So wirkt auch ein Bewerbungsschreiben nicht dadurch betont locker, dass der Bewerber umgangssprachliche Ausdrücke benutzt, diese dann aber in Gänsefüßchen setzt, um sich gleich wieder davon zu distanzieren. Entweder man steht dazu oder man verabschiedet sich besser ganz von der Umgangssprache. Locker wird ein Text im Übrigen eher durch einen insgesamt geübt lockeren (z.B. verbalen) Stil.

Plappermäulige Blicke

Hoffend sah ich sie an. Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu und mir wurde ganz heiß.

In der Regel sagt so ein vielsagender Blick nur eines: Hier weiß jemand den Blick nicht zu deuten oder sich nicht auszudrücken. Im günstigsten Fall ist es die Figur, in den weitaus meisten Fällen ist es leider der Autor. Vor allem in den Texten von Schreibanfängern tummeln sich die vielsagenden Blicke an jeder Ecke. Dieses Geschnatter und Geplapper ist kaum auszuhalten. Mal ein vielsagender Blick wäre ja noch in Ordnung. Auf die Dauer kann man vom Autor aber durchaus verlangen, sich ein bisschen mehr Mühe zu geben, einerseits der Abwechslung wegen, andererseits, weil ein Blick eben so viel mehr (und Subtileres) sagen kann als viel.

Übrigens sind tiefgründige Blicke meist nicht weniger oberflächlich. Und auch ein hintergründiges Lächeln sollte nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden.

Öfter mal einen Punkt machen

Ob man lange oder kurze Sätze lieber mag, ist meist Geschmackssache. Sie zu verwenden, nicht.

Sowohl die einen als auch die anderen gekonnt zu verwenden, ist jeweils eine Kunst.

Ob, wo und wie oft man zu den kurzen oder den langen Sätzen greift, ist eine Frage des Stils, sowohl des persönlichen als auch des vom Text her sinnvollsten. Grundsätzlich gilt sicher, die Mischung macht’s, wenn diese auch nicht ganz beliebig sein sollte.

Die richtige Mischung zu finden, soll aber heute nicht mein Thema sein. Diesmal geht es schlicht um die zu langen Sätze. Die Betonung liegt auf „zu“.

So seltsam es klingen mag, aber ob ein Satz zu lang ist, ist nicht unbedingt von seiner Länge abhängig. Ein Satz, der über viele Seiten geht, hat möglicherweise nicht einen einzigen Buchstaben zuviel. Und auch mancher Satz, der eine Zeilenlänge nicht überschreitet, ist schon deutlich zu lang. (In manchem Satz ist jedes Wort zuviel.)

Nun rede ich die ganze Zeit von Sätzen. Warum heißt der Titel des Beitrags dann „Öfter mal einen Punkt machen“? Weil es genau darum geht. Dort, wo ein Punkt hingehört, sollte man ihn auch setzen. Tut man es nicht, wird der Satz zu lang.

Dabei ist das keine Frage der Grammatik, sonden eine der inhaltlichen Zusammenhänge. Sowohl derer innerhalb des Satzes als auch der kontextbezogenen.

Die Sonne ging auf, weiße Federwölkchen überzogen den Himmel, Peter ging zum Teich und benetzte sich mit dem kühlen Nass.

In der Regel gehört hier hinter das Wort „Himmel“ ein Punkt. Das morgendliche Naturschauspiel ist die eine Sache, die morgendlichen Handlungen Peters sind eine andere. Zwischen beiden gibt es keine direkte Beziehung, allenfalls eine sehr lose, die überdies keiner besonderen Betonung bedarf.

Allerdings könnte es einen Kontext geben, in dem das Komma einen Sinn macht, in dem es also eine direkte Beziehung zwischen den natürlichen Vorgängen und Peters Handlungen gibt. So könnte es in den Tagen zuvor geregnet haben, sodass Peter sich in der Stube waschen musste. Die aufgehende Sonne und der schöne Morgen wären dann der direkte Auslöser für Peters Handlungen. Das schöne Wetter erlaubt ihm, sich am Teich zu waschen. Von der Bedeutung her entspräche das obige Beispiel dann folgendem Satz:

Weil die Sonne aufging und weiße Federwölkchen den Himmel überzogen, ging Peter zum Teich und benetzte sich mit dem kühlen Nass.

Im Fazit bedeutet das also, dass hier Punkt oder Komma auch einen Bedeutungsunterschied mit sich bringen, weil das Komma eine direkte Beziehung der Aussagen untereinander ausdrückt, die der Punkt (in anderen Fällen ein Frage- oder Ausrufezeichen) nicht mit sich bringt.

Leider treffe ich beim Lektorat immer wieder auf solche Sätze, die eine inhaltlich unbegründete Aneinanderreihung verschiedener Sachverhalte und Handlungen sind. Darum: Öfter mal einen Punkt setzen.

Aus Prinzip Partizip?

(1) Lachend ging Tom die Straße entlang.

„Lachend“ ist ein Partizip, Partizip I, um genau zu sein. Es wurde aus dem Verb „lachen“ gebildet und drückt im Prinzip eine zweite Tätigkeit aus, die einer ersten untergeordnet ist.

Tom tut also in unserem Beispiel zwei Dinge: Er geht und er lacht.

(2) Tom ging die Straße entlang und lachte.

Trotzdem merken wir schon, wie sich mit dem Partizip die Betonung verschiebt. Der Schwerpunkt der Aussage in Beispiel (1) liegt darauf, dass Tom die Straße entlang geht.

Das Partizip kann nun noch erweitert werden:

(3) Laut lachend ging Tom die Straße entlang.

(4) Über einen Witz lachend ging Tom die Straße entlang.

Spätestens in Beispiel (4) wird der Satz langsam unübersichtlich, selbst dann, wenn man zur besseren Übersichtlichkeit das mögliche Komma setzt. Dennoch kann gerade hinsichtlich der Betonung die partizipiale Konstruktion erwünscht sein. Auch der sprachliche Rhythmus könnte die Entscheidung des Autors zugunsten des erweiterten Partizips beeinflussen.

Im Lektorat fällt mir aber immer mal wieder ein sehr inflationärer Gebrauch solcher Partizipialkonstruktionen (satzwertiges Partizip, Patizipialsatz) auf. Das mag zum einen daran liegen, dass der Autor das für einen besonders literarischen Stil hält, zum anderen an dem Bedürfnis, viel Information auf engem Raum zusammenzubringen.

Während Ersteres zumindest pauschal so nicht stimmt, ist Letzteres für einen literarischen Text alles andere als erstrebenswert. Denn wir schreiben ja nicht an einem möglichst informativen Artikel, für den uns nur begrenzter Raum zur Verfügung steht. Ganz im Gegenteil: Wir schreiben eine Geschichte, die durchaus mit Informationen geizen darf und soll, nicht aber mit den Sätzen, in denen sie dem Leser diese Informationen vermittelt.

Und eine Geschichte wird durch aktive Handlung getragen. Mit Partizipialsätzen erreicht man aber das genaue Gegenteil. Sie drücken nur noch sehr abgeschwächt Handlung aus, sind nicht selten bloßes Attribut. Dazu kommt noch, dass sie für den Leser inhaltlich schwieriger aufzunehmen sind und für den Autor oft alles andere als leicht zu händeln, vor allem, weil man genau darauf achten muss, dass der richtige Bezug unmissverständlich hergestellt werden kann (5).

Zusammenfassend kann man also sagen:

  1. Partizipialsätze können wünschenswert sein, wo sie der gewünschten Absicht entsprechen.
  2. Partizipialsätze können einen Text auflockern.
  3. Partizipialsätze sollten sparsam eingesetzt werden und einen Text niemals beherrschen.
  4. Achte auf Verständlichkeit (5).
  5. Erschaffe keine „Partizipmonster“ (6).

(5) Mit Bier angefüllt gab ich meinem Freund das Glas.

(6) Er ging seinen MP3-Player aus der Hosentache holend und AC/DC, seine Lieblingsband, heraussuchend die Straße entlang

Dann, dann, dann. Und danach?

Er ging ins Zimmer. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Danach blätterte er in der Fernsehzeitung.

Braucht es das „dann“ und das „danach“ überhaupt? Nein!

Wenn es nicht ausdrücklich anders betont wird, liest der Leser die Geschehnisse und Handlungen in einem Text immer als zeitliches Nacheinander. Dies extra zu betonen ist also überflüssig und Überflüssiges hat im Text nichts zu suchen.

Er ging ins Zimmer, zündete sich eine Zigarette an und blätterte in der Fernsehzeitung.

Nur wenn wir Gleichzeitiges beschreiben (1), wenn die Reihenfolge im Text nicht der tatsächlichen entspricht (2) oder wenn eine Aufeinanderfolge aus anderen Gründen extra betont werden soll, zum Beispiel weil sie eher unüblich ist (3), muss das im Text gekenzeichnet werden:

(1) Er zündete sich eine Zigarette an, während er in der Fernsehzeitung blätterte.

(2) Er zündete sich eine Zigarette an, nachdem er ein bisschen in der Fernsehzeitung geblättert hatte.

(3) Er zog kräftig an der Zigarette. Dann erst zündete er sie an.

Er ging ins Zimmer. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Danach blätterte er in der Fernsehzeitung.
Braucht es das „dann“ und das „danach“ überhaupt? Nein!
Wenn es nicht ausdrücklich anders betont wird, liest der Leser die Geschehnisse und Handlungen in einem Text immer als zeitliches Nacheinander. Dies extra zu betonen ist also überflüssig und Überflüssiges hat im Text nichts zu suchen.
Er ging ins Zimmer, zündete sich eine Zigarette an und blätterte in der Fernsehzeitung.
Nur wenn wir Gleichzeitiges beschreiben (1), wenn die Reihenfolge im Text nicht der tatsächlichen entspricht (2) oder wenn eine Aufeinanderfolge aus anderen Gründen extra betont werden soll, zum Beispiel weil sie eher unüblich ist (3), muss das im Text gekenzeichnet werden:
(1) Er zündete sich eine Zigarette an, während er in der Fernsehzeitung blätterte.
(2) Er zündete sich eine Zigarette an, nachdem er ein bisschen in der Fernsehzeitung geblättert hatte.
(3) Er zog kräftig an der Zigarette. Dann erst zündete er sie an.