Aus Partizip!

Klaus brachte fluchend den Müll runter.

In diesem Satz steckt das Partizip fluchend. Es bestimmt näher, wie Klaus den Müll runterbringt, wird in diesem Fall also adverbial gebraucht*. Das bedeutet auch, dass die Hauptaussage des Satzes ist, dass Klaus den Müll runterbringt, während sein Fluchen diese Aussage nur näher erläutert.

Wollen wir das Fluchen betonen, also des Lesers volle Aufmerksamkeit auch auf das Fluchen richten, sollten wir aus dem Partizip wieder ein Vollverb machen:

Klaus brachte den Müll runter und fluchte (dabei).

Man beachte, dass auf diese Weise nicht nur ein Akzent auf das Fluchen gesetzt wird, es wird erst durch die Rückverwandlung in ein Verb wieder zu einer Aktion.

Aber zurück zum Partizip: Das Partizip kann man rein theoretisch beliebig erweitern:

Klaus brachte leise fluchend den Müll runter.
Klaus brachte auf Gott und die Welt fluchend den Müll runter.
Klaus brachte auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder fluchend den Müll runter.

Was damit entsteht, ist der sogenannte Partizipialsatz, auch satzwertiges Partizip genannt. Um die Gliederung deutlich zu machen oder Missverständnisse zu vermeiden, könnte man ihn in Kommata einschließen. Dennoch geht mit zunehmender Länge der Partizipialgruppe die Übersicht verloren.

Auch die Gewichtung verschiebt sich. Rein grammatisch liegt die Betonung noch immer auf der Hauptaussage, dass Klaus den Müll runterbringt, doch spätestens im dritten Beispiel ist diese Hauptaussage kaum noch hinter dem Partizipwulst zu erkennen.

Das Partizip bleibt aber nun mal Partizip, wird, egal wie viel Gewicht es trägt, nicht zu einem finiten Verb. Keine Aktion! Folge: Je länger das satzwertige Partizip, desto statischer der gesamte Satz.

Wenn also nicht gerade besondere stilistische Effekte erwünscht sind, ist es immer besser, sich von solchen Konstruktionen fernzuhalten und stattdessen zwei Hauptsätze oder Haupt- und Nebensatz zu formulieren.

Klaus fluchte auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder, während er den Müll runterbrachte.

Ich behandle dieses Thema schon zum zweiten Mal, diesmal allgemeiner. Wen noch der kleine Artikel interessiert, den ich damals direkt für Autoren geschrieben habe, der kann ihn hier nachlesen.

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*Partizipien können natürlich auch attributiv, etwa als Begleiter eines Substantivs, gebraucht werden. An den Problemen, die sie mit sich bringen, ändert sich dadurch nichts:

Der (auf die Faulheit seiner verwöhnten und in keiner Weise kooperierenden Kinder) fluchende Klaus brachte den Müll runter.

Jugend kreativ

Seit dem 29.11.2010 steht es fest, das Jugendwort des Jahres:

Niveaulimbo.

Dieses Wort bezeichnet „das ständige Absinken des Niveaus“. Es wurde von einer Jury aus 15 Wörtern gewählt, die mit 38.000 Stimmen durch die Jugendlichen selbt nominiert worden sind.

Geradezu erstaunlich, mit welcher Kreativität hier die beiden aus völlig unterschiedlichen Bereichen stammenden Begriffe Niveau und Limbo zu einem neuen Wort mit neuer Bedeutung zusammengesetzt wurden.

Wer nun glaubt, da sei unseren Jugendlichen mal ein Zufallstreffer gelungen, den sollten ähnlich kreative Schöpfungen unter den Top 15 eines Besseren belehren.

Etwa Änderungsfleischerei für eine Klinik für Schönheitschirurgie. Oder Arschfax für das Etikett einer Untehose, das aus der Hose hängt. Ich ertappe mich selbst manchmal beim Egosurfen, wenn ich nämlich in Internetsuchmaschinen nach mir selber suche.

Sagt eurem Partner doch mal, er sei emotional flexibel, verratet ihm aber nicht, dass ihr damit launisch meint. Und er oder sie wird es möglicherweise gar als freundliches Lob auffassen, wenn ihr ihn oder sie als Hochleistungs-Chiller betitelt, womit ihr eigentlich auf seine extreme Faulheit hinweist.

Und vielleicht versöhnt ja dann ein Urlaub in der Klappkaribik. Wo das ist? Fragt mal im Sonnenstudio nach.

Plappermäulige Blicke

Hoffend sah ich sie an. Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu und mir wurde ganz heiß.

In der Regel sagt so ein vielsagender Blick nur eines: Hier weiß jemand den Blick nicht zu deuten oder sich nicht auszudrücken. Im günstigsten Fall ist es die Figur, in den weitaus meisten Fällen ist es leider der Autor. Vor allem in den Texten von Schreibanfängern tummeln sich die vielsagenden Blicke an jeder Ecke. Dieses Geschnatter und Geplapper ist kaum auszuhalten. Mal ein vielsagender Blick wäre ja noch in Ordnung. Auf die Dauer kann man vom Autor aber durchaus verlangen, sich ein bisschen mehr Mühe zu geben, einerseits der Abwechslung wegen, andererseits, weil ein Blick eben so viel mehr (und Subtileres) sagen kann als viel.

Übrigens sind tiefgründige Blicke meist nicht weniger oberflächlich. Und auch ein hintergründiges Lächeln sollte nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden.

Öfter mal einen Punkt machen

Ob man lange oder kurze Sätze lieber mag, ist meist Geschmackssache. Sie zu verwenden, nicht.

Sowohl die einen als auch die anderen gekonnt zu verwenden, ist jeweils eine Kunst.

Ob, wo und wie oft man zu den kurzen oder den langen Sätzen greift, ist eine Frage des Stils, sowohl des persönlichen als auch des vom Text her sinnvollsten. Grundsätzlich gilt sicher, die Mischung macht’s, wenn diese auch nicht ganz beliebig sein sollte.

Die richtige Mischung zu finden, soll aber heute nicht mein Thema sein. Diesmal geht es schlicht um die zu langen Sätze. Die Betonung liegt auf „zu“.

So seltsam es klingen mag, aber ob ein Satz zu lang ist, ist nicht unbedingt von seiner Länge abhängig. Ein Satz, der über viele Seiten geht, hat möglicherweise nicht einen einzigen Buchstaben zuviel. Und auch mancher Satz, der eine Zeilenlänge nicht überschreitet, ist schon deutlich zu lang. (In manchem Satz ist jedes Wort zuviel.)

Nun rede ich die ganze Zeit von Sätzen. Warum heißt der Titel des Beitrags dann „Öfter mal einen Punkt machen“? Weil es genau darum geht. Dort, wo ein Punkt hingehört, sollte man ihn auch setzen. Tut man es nicht, wird der Satz zu lang.

Dabei ist das keine Frage der Grammatik, sonden eine der inhaltlichen Zusammenhänge. Sowohl derer innerhalb des Satzes als auch der kontextbezogenen.

Die Sonne ging auf, weiße Federwölkchen überzogen den Himmel, Peter ging zum Teich und benetzte sich mit dem kühlen Nass.

In der Regel gehört hier hinter das Wort „Himmel“ ein Punkt. Das morgendliche Naturschauspiel ist die eine Sache, die morgendlichen Handlungen Peters sind eine andere. Zwischen beiden gibt es keine direkte Beziehung, allenfalls eine sehr lose, die überdies keiner besonderen Betonung bedarf.

Allerdings könnte es einen Kontext geben, in dem das Komma einen Sinn macht, in dem es also eine direkte Beziehung zwischen den natürlichen Vorgängen und Peters Handlungen gibt. So könnte es in den Tagen zuvor geregnet haben, sodass Peter sich in der Stube waschen musste. Die aufgehende Sonne und der schöne Morgen wären dann der direkte Auslöser für Peters Handlungen. Das schöne Wetter erlaubt ihm, sich am Teich zu waschen. Von der Bedeutung her entspräche das obige Beispiel dann folgendem Satz:

Weil die Sonne aufging und weiße Federwölkchen den Himmel überzogen, ging Peter zum Teich und benetzte sich mit dem kühlen Nass.

Im Fazit bedeutet das also, dass hier Punkt oder Komma auch einen Bedeutungsunterschied mit sich bringen, weil das Komma eine direkte Beziehung der Aussagen untereinander ausdrückt, die der Punkt (in anderen Fällen ein Frage- oder Ausrufezeichen) nicht mit sich bringt.

Leider treffe ich beim Lektorat immer wieder auf solche Sätze, die eine inhaltlich unbegründete Aneinanderreihung verschiedener Sachverhalte und Handlungen sind. Darum: Öfter mal einen Punkt setzen.

Wende nicht die Redewendung

Redewendungen kennen wir alle. Und sie gehören zu den sprachlichen Bausteinen, die von angehenden Autoren besonders gern benutzt werden, so jedenfalls meine Erfahrung aus dem Lektorat.

Hin und wieder könnte man darüber streiten, ob es eine besonders kreative Leistung ist, seinen Text mit altbekannten Wendungen zu spicken, aber das soll nicht Thema dieses Beitrags sein.

Viele dieser Redewendungen sind mehr oder weniger feststehend, daher lassen sie sich nicht beliebig verwenden und verwandeln. Tut man das, läuft man zumindest Gefahr, dass die übertragene Bedeutung, die eine Redensart in sich trägt, verlorengeht. Die Folge sind im Allgemeinen die so gefürchteten Stilblüten.

So will Peter eben nicht in Franks Haut stecken. Weder will er hinter seiner Haut stecken noch hinter seinem Gesicht. Möglicherweise will er nicht in seiner Kleidung stecken, dann aber im wörtlichen Sinn, weil sie ihm nicht gefällt.

Wer etwas unter den Tisch kehrt, will etwas verheimlichen, wer dagegen etwas unter dem Tisch kehrt, macht dort sauber, wenn auch nicht besonders gründlich. Man kann allerdings auch etwas unter den Teppich kehren, wer nun wiederum etwas unter den Schrank, den Stuhl oder den Schreibtisch kehrt, wird sicher nicht als Reinigungskraft eingestellt.

Wenn jemandem das Herz aufgeht, muss er nicht gleich auf den Operationstisch. Dabei sollte man es dann auch belassen, statt ihm sein Herz eingehen zu lassen, ihm verschiedene andere Dinge anzutun oder diverse andere Körperteile aufgehen zu lassen.

Kurz: Auch hier heißt es wieder: Mach dir bewusst, was du schreibst. Schlag die Redewendung lieber noch einmal nach. Das geht auch bequem im Netz, zum Beispiel auf redensarten-index.de.

Aus Prinzip Partizip?

(1) Lachend ging Tom die Straße entlang.

„Lachend“ ist ein Partizip, Partizip I, um genau zu sein. Es wurde aus dem Verb „lachen“ gebildet und drückt im Prinzip eine zweite Tätigkeit aus, die einer ersten untergeordnet ist.

Tom tut also in unserem Beispiel zwei Dinge: Er geht und er lacht.

(2) Tom ging die Straße entlang und lachte.

Trotzdem merken wir schon, wie sich mit dem Partizip die Betonung verschiebt. Der Schwerpunkt der Aussage in Beispiel (1) liegt darauf, dass Tom die Straße entlang geht.

Das Partizip kann nun noch erweitert werden:

(3) Laut lachend ging Tom die Straße entlang.

(4) Über einen Witz lachend ging Tom die Straße entlang.

Spätestens in Beispiel (4) wird der Satz langsam unübersichtlich, selbst dann, wenn man zur besseren Übersichtlichkeit das mögliche Komma setzt. Dennoch kann gerade hinsichtlich der Betonung die partizipiale Konstruktion erwünscht sein. Auch der sprachliche Rhythmus könnte die Entscheidung des Autors zugunsten des erweiterten Partizips beeinflussen.

Im Lektorat fällt mir aber immer mal wieder ein sehr inflationärer Gebrauch solcher Partizipialkonstruktionen (satzwertiges Partizip, Patizipialsatz) auf. Das mag zum einen daran liegen, dass der Autor das für einen besonders literarischen Stil hält, zum anderen an dem Bedürfnis, viel Information auf engem Raum zusammenzubringen.

Während Ersteres zumindest pauschal so nicht stimmt, ist Letzteres für einen literarischen Text alles andere als erstrebenswert. Denn wir schreiben ja nicht an einem möglichst informativen Artikel, für den uns nur begrenzter Raum zur Verfügung steht. Ganz im Gegenteil: Wir schreiben eine Geschichte, die durchaus mit Informationen geizen darf und soll, nicht aber mit den Sätzen, in denen sie dem Leser diese Informationen vermittelt.

Und eine Geschichte wird durch aktive Handlung getragen. Mit Partizipialsätzen erreicht man aber das genaue Gegenteil. Sie drücken nur noch sehr abgeschwächt Handlung aus, sind nicht selten bloßes Attribut. Dazu kommt noch, dass sie für den Leser inhaltlich schwieriger aufzunehmen sind und für den Autor oft alles andere als leicht zu händeln, vor allem, weil man genau darauf achten muss, dass der richtige Bezug unmissverständlich hergestellt werden kann (5).

Zusammenfassend kann man also sagen:

  1. Partizipialsätze können wünschenswert sein, wo sie der gewünschten Absicht entsprechen.
  2. Partizipialsätze können einen Text auflockern.
  3. Partizipialsätze sollten sparsam eingesetzt werden und einen Text niemals beherrschen.
  4. Achte auf Verständlichkeit (5).
  5. Erschaffe keine „Partizipmonster“ (6).

(5) Mit Bier angefüllt gab ich meinem Freund das Glas.

(6) Er ging seinen MP3-Player aus der Hosentache holend und AC/DC, seine Lieblingsband, heraussuchend die Straße entlang

Dann, dann, dann. Und danach?

Er ging ins Zimmer. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Danach blätterte er in der Fernsehzeitung.

Braucht es das „dann“ und das „danach“ überhaupt? Nein!

Wenn es nicht ausdrücklich anders betont wird, liest der Leser die Geschehnisse und Handlungen in einem Text immer als zeitliches Nacheinander. Dies extra zu betonen ist also überflüssig und Überflüssiges hat im Text nichts zu suchen.

Er ging ins Zimmer, zündete sich eine Zigarette an und blätterte in der Fernsehzeitung.

Nur wenn wir Gleichzeitiges beschreiben (1), wenn die Reihenfolge im Text nicht der tatsächlichen entspricht (2) oder wenn eine Aufeinanderfolge aus anderen Gründen extra betont werden soll, zum Beispiel weil sie eher unüblich ist (3), muss das im Text gekenzeichnet werden:

(1) Er zündete sich eine Zigarette an, während er in der Fernsehzeitung blätterte.

(2) Er zündete sich eine Zigarette an, nachdem er ein bisschen in der Fernsehzeitung geblättert hatte.

(3) Er zog kräftig an der Zigarette. Dann erst zündete er sie an.

Er ging ins Zimmer. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Danach blätterte er in der Fernsehzeitung.
Braucht es das „dann“ und das „danach“ überhaupt? Nein!
Wenn es nicht ausdrücklich anders betont wird, liest der Leser die Geschehnisse und Handlungen in einem Text immer als zeitliches Nacheinander. Dies extra zu betonen ist also überflüssig und Überflüssiges hat im Text nichts zu suchen.
Er ging ins Zimmer, zündete sich eine Zigarette an und blätterte in der Fernsehzeitung.
Nur wenn wir Gleichzeitiges beschreiben (1), wenn die Reihenfolge im Text nicht der tatsächlichen entspricht (2) oder wenn eine Aufeinanderfolge aus anderen Gründen extra betont werden soll, zum Beispiel weil sie eher unüblich ist (3), muss das im Text gekenzeichnet werden:
(1) Er zündete sich eine Zigarette an, während er in der Fernsehzeitung blätterte.
(2) Er zündete sich eine Zigarette an, nachdem er ein bisschen in der Fernsehzeitung geblättert hatte.
(3) Er zog kräftig an der Zigarette. Dann erst zündete er sie an.