Über Gänsefüßchen stolpern
18. Mai 2010 4 Kommentare
Sie sind schon so klein und doch kann man leicht darüber stolpern, Anführungsstriche oder die sogenannten „Gänsefüßchen“. Denn neben der Kennzeichnung der wörtlichen Rede oder von Zitaten stehen Gänsefüßchen eben vor allem für das Sogenannte. Das, von dem man deutlich machen will, dass es eigentlich gar nicht so gemeint ist, dass man sich von dem Ausdruck, der eingefüßelt wird, meist in ironischer Weise distanziert.
Diesmal hat er nicht gewonnen, sondern ist „nur“ Zweiter geworden.
Seine „selbstlose“ Liebe ging so weit, dass er sie im Keller einsperrte.
Sind sie in diesen Beispielen ein eindeutiges Stilmittel, das wie jedes andere Stilmittel sparsam angewandt die erwünschte Wirkung beim Leser erzielt, scheint es einen Trend zu geben, Texte möglichst witzig zu gestalten, indem man über ihnen einen ganzen Sack dieser Gänsefüßchen ausschüttet. Bei manchem Romanmanuskript eines angehenden Autors könnte man sich fragen, warum er nicht einfach den gesamten Text in Anführungsstriche gesetzt hat. Das hätte sogar noch weniger Mühe gemacht, als am Ende den Hinweis zu setzen, dass der ganze Text eigentlich nicht so gemeint war.
Da trifft man dann während des Lesens auf Sätze wie:
Sie „begrabbelten“ sich.
Er ging ihr mächtig auf den „Keks“.
Nach den Anstrengungen des Tages gingen sie völlig geschafft „pennen“.
Zunächst muss der Leser kapieren, dass, wie es die Gänsefüßchen vermuten ließen, die Akteure nicht etwa das Gegenteil von dem tun, was der Erzähler ihnen andichtet, sondern dass sie sich tatsächlich begrabbeln, auf den Keks gehen oder in die Falle fallen. Was also bezweckt der Autor mit den Latschen des Federviehs?
Nun, er meint, diese Vermutung liegt zumindest nahe, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen hofft er, damit einen ironischen Grundton in seinen Text zu bringen, zum anderen entschuldigt er sich gleichzeitig für die umgangssprachliche Ausdrucksweise.
Nun ist es zum einen durchaus das Recht eines Autors, in seinem Text, so es denn zum Stil des Textes, zum Erzähler oder zur Figur passt, Umgangssprache zu verwenden, zum anderen verstärken die Gänsefüßchen eher noch den Eindruck der Unsicherheit auf Seiten des Autors. Man fragt sich, ob er, statt sich bewusst dafür zu entscheiden, einen Ausdruck nicht eher aus Verlegenheit gewählt hat. Die häufig noch zunehmende Fülle an Gänsefüßchen, die schließlich auch vor völlig unproblematischen Ausdrücken nicht mehr Halt machen (Leise „schlichen“ sie sich an.) verstärkt einen solchen Eindruck noch.
Ähnliches kann man übrigens nicht nur in Romanmanuskripten beobachten. So wirkt auch ein Bewerbungsschreiben nicht dadurch betont locker, dass der Bewerber umgangssprachliche Ausdrücke benutzt, diese dann aber in Gänsefüßchen setzt, um sich gleich wieder davon zu distanzieren. Entweder man steht dazu oder man verabschiedet sich besser ganz von der Umgangssprache. Locker wird ein Text im Übrigen eher durch einen insgesamt geübt lockeren (z.B. verbalen) Stil.
Hallo Philipp,
ja, die lieben „Gänsefüßchen“!!!
Ich ertappe mich auch regelmäßig dabei, sie häufiger einzusetzen, als es nötig oder der Sache „dienlich“ ist. 😉
Gut auf den Punkt gebracht!
Aber ist das wirklich ein Fehler, den nur „angehende“ Autoren begehen?
Fragende Grüße Wolfgang
Hallo Wolfgang,
schwer zu sagen. Zunächst mal glaube ich, dass es sich gar nicht auf Autoren beschränkt. Wie gesagt, auch in Bewerbungsschreiben ist es mir aufgefallen.
Mit der Erfahrung und dem Bestreben, sich präzise auszudrücken, sinkt sicherlich die Gänsefüßchen-Manie. Und dann sind da ja auch noch die Lektoren. 😉
Viele Grüße
Philipp
Hallo Philipp,
über Twitter las ich nur: „Gänsefüßchen“
Man kann ja auch nicht viel mehr über Twitter entnehmen, was ja auch so angedacht ist.
Natürlich hab ich nicht lang gefackelt, klickte aus Neugierde auf den Link, weil ich vor ein paar Stunden noch selber an meiner Fantasy-Story werkelte und ebenso gerne diese Füßchen dann und wann zum Einsatz brachte.
Ich erinnere mich, dass ich damals selbst in Bewerbungen keine Scheu davor hatte, diese zwei kleinen Zeichen einzusetzen um etwas hervorzuheben, diese aber dennoch gut strukturiert wirkte. Ob es falsch ist, oder falsch war? Ich weiß es nicht, dennoch bringt mich dein Beitrag doch wirklich sehr ins grübeln.
Mit dem o.g Beispiel
Diesmal hat er nicht gewonnen, sondern ist „nur“ Zweiter geworden.
-empfinde ich es so, dass das Wort „nur“ besonders hervorgeheben werden soll, um dieses ein wenig herablassend wirken zu lassen.
Wenn ich mir die anderen Beispiele anschaue, so kommt mir wirklich nichts in den Sinn, was der Autor damit bezwecken möchte, beim ersten Beispiel hingegen schon eher.
Ich bin wahrlich keine Granate was die Grammatik angeht, da ich selber mit meinen Worten oftmals am hardern bin, oder gar neue erfinde. Das Federvieh nutz ich meistens nur in der wörtlichen Rede, wie zum Beispiel: „Schrei mich verdammt noch mal nicht so an!“ Oder wenn ich etwas zitiere.
Aber die Umgangssprache oder wörtliche Rede in einem Bewerbungsschreiben zu nutzen, wäre mir völlig neu. Aber auch ich schmücke mich während des schreibens von Gedichten und Geschichten, gerne mit ! und“.
Total unbewußt, ohne überhaupt darüber nachzudenken.
Was für ein Federkrieg 😉
Ein wirklich interessanter Beitrag.
Mich verabschiede und einen sonnigen Tag wünsche.
LG Tanja
Hallo und willkommen, Tanja!
Als Fehler kann man es ja meist nicht bezeichnen. Und wenn mein Beitrag dazu beiträgt, dass man dieses Stilmittel bedachter und mit guter Begründung anwendet, ist doch schon alles gewonnen. 😉