Der Begreifler über Antagonisten

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

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Der Antagonist eines literarischen Werkes ist der Gegner des Protagonisten. Haben wir in einem literarischen Text genau zwei Figuren, kann man davon ausgehen, dass eine der Prota-, die andere der Antagonist ist. Denn ohne gegnerische Kräfte fehlt die dramatische Spannung.

Gegner ist aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit Feind. Stellen wir uns als alleinige Figuren eines Textes ein Liebespaar vor, Tom und Marry. Tom bringt beim Frühstück das Thema nächster Urlaub auf den Tisch, Marry aber will das Thema abwenden, da sie plant, ihn mit einer Reise zu überraschen, die er sich schon immer gewünscht hat. Feinde sind die beiden ganz offensichtlich nicht. Aber – und das ist das Entscheidende – sie tragen einen Konflikt aus. In diesem Konflikt sind sie Gegner. Einer der beiden ist Protagonist, einer Antagonist.

Verteilt sind diese Rollen je nach dem Wunsch des Autors abhängig davon, wer im Mittelpunkt der Erzählung steht, wessen Geschichte also erzählt wird. Die Geschichte von Tom, dessen Ziel es ist, die Urlaubsfrage zu klären? Dann ist Marry die Antagonistin, deren Interessen dem Ziel des Protagonisten entgegenstehen, denn sie will nicht, dass die Urlaubsfrage tatsächlich zu diesem Zeitpunkt am Frühstückstisch geklärt wird. Soll Marry die Protagonistin sein, dann verfolgt der Leser ihren Kampf darum, die Überraschung vor Tom zu verbergen. Ohne über die Umstände Bescheid zu wissen, wird er zum Antagonisten, weil sein Ziel dem ihren entgegensteht.

Erzählen wir die Geschichte, in der Tom der Protagonist, Marry die Antagonistin ist, über den Frühstückstisch hinaus, vielleicht in einer Komödie, in der sich aus dem oben geschilderten zentralen Konflikt weitere Verwirrungen und Verstrickungen ergeben, an denen weitere Figuren teilhaben, bleibt doch er der Protagonist, sie die Antagonistin. Nur weil Marry ihre beiden Freundinnen einspannt, ihr bei der Vertuschung ihrer Überraschung zu helfen, hat Tom es nicht auf einmal mit drei Antagonistinnen zu tun. Die Freundinnen sind Nebenfiguren. Sie unterstützen die Antagonistin in deren Interesse, sind ihre Handlangerinnen auf dem Weg, ihr Ziel zu erreichen, während ihre jeweils eigenen Hauptinteressen und -ziele ganz andere sind, die für die Geschichte unseres Protagonisten und den zentralen Konflikt vielleicht überhaupt keine Rolle spielen. Und auch der Typ, der Tom zufällig gerade dann die Tasche klaut, als der sich im Reisebüro Prospekte für die Urlaubsplanung besorgt hat, wird dadurch nicht zum Antagonisten, obwohl er für Tom ein Hindernis auf dem Weg zu seinem großen Ziel darstellt.

So wie der Protagonist der Haupthandelnde ist, der den zentralen Konflikt auszutragen hat, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, ist der Antagonist der Hauptgegner in diesem Konflikt. Alle anderen, die dem Prota irgendwie einen Strich durch die Rechnung machen oder machen wollen, sind antagonistische Kräfte. Solche, die den Antagonisten direkt unterstützen, solche, die dem Protagonisten aus irgendwelchen Gründen auf eigene Rechnung das Leben schwermachen, und solche, die nur versehentlich im Weg stehen.

Zwei gleichrangige Antagonisten kann es dennoch geben, wenn etwa Tom ein Kind ist, dessen Eltern als Antagonisten einfach nicht zulassen wollen, dass er seine Geburtstagsüberraschung vorfristig aufdeckt. Und es geht noch mehr:

Nicht Marry hat etwas dagegen, dass sie gemeinsam einen Urlaub planen, sondern

  • der innere Schweinehund Toms, der den Urlaub lieber im heimischen Fernsehsessel verbringen würde (innerer Konflikt),
  • Toms Schäferhund, der Lunte riecht und nicht allein bleiben will,
  • verschiedene äußere Umstände, die immer wieder verhindern, dass Tom Marry seine Absicht zur Urlaubsplanung antragen kann,
  • die Kellertür, hinter der Tom sich versehentlich eingesperrt hat, als er eine Flasche Wein holen wollte,
  • das Haus, das in einem Horrorszenario verhindern will, im Urlaub allein zu bleiben.

Der Antagonist (bzw. die antagonistische Kraft) muss also nicht immer eine (menschliche) Figur sein.

Der Begreifler über Protagonisten

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Im allgemeinen Sprachgebrauch wird gern mal von den Protagonisten einer Geschichte, eines Films oder einer Serie gesprochen. Das kann und wird wahrscheinlich dazu führen, dass der Begriff langfristig diese Bedeutungserweiterung erhält. Was wiederum dazu führen könnte, dass man zukünftig, um eindeutig zu sein, vom Hauptprotagonisten sprechen muss. Streng genommen steckt diese Bedeutung allerdings schon im Begriff Protagonist, was griechisch ist und „Ersthandelnder, Haupthandelnder“ bedeutet.

Der (eine) Protagonist einer Geschichte (zumindest aber eines Handlungsstrangs dieser Geschichte, da mag man sich streiten) ist also derjenige, dessen Geschichte erzählt wird. Der Konflikt, von dem die Geschichte hauptsächlich handelt, ist der seinige. Und natürlich ist es der Protagonist, dem es zukommt, diesen Konflikt zu lösen. Er treibt die Handlung voran und steht im Mittelpunkt des (Leser-) Interesses. Unter den Hauptfiguren ist er die wichtigste, sozusagen die Haupthauptfigur. Es wäre also eigentlich wünschenswert, müssten wir dem Protagonisten in Zukunft kein drittes Haupt voranstellen.

Konflikt und Prämisse

In der Hilfe für Autoren geht es diesen Monat um Konflikt und Prämisse:

Wer außerdem Anregungen zum Plotten sucht, wird, falls er es nicht schon geworden ist, auf meinem Autorenblog fündig.

Harry Plotter: Die Ploterzählung

Für Harry Planer unterschieden sich die bisherigen Vorbereitungen für sein Romanprojekt nicht sonderlich von seinem früheren Vorgehen. Erst jetzt wird er sich ein bisschen umstellen müssen, kann aber auch hoffen, sich auf diese Weise beim Plotten nicht so sehr zu verzetteln und vom eigentlichen Erzählen der Geschichte wegzubewegen.

Harry Drauflos hingegen sollte die Ploterzählung entgegenkommen. Hat er früher einfach drauflosgeschrieben, ohne genau zu wissen, wo es hingehen soll, hat er nun mit den Notizen zum Konflikt und dem Exposé bereits eine grobe Leitlinie. Das Plotten soll nun aber nicht zu „theoretisch“ werden und sich an seinem bisherigen Schreibverhalten orientieren.

Harry Planer weiß, dass er wie manch anderer Autor, der seine Romane intensiv plant, vor allem ein Problem hat: Seine Schreibarbeit ist überwiegend Komposition, von vorneherein auf die Wirkung beim Leser ausgerichtet. Was durchaus ein Vorteil sein kann, führt bei ihm schnell zu pedantischer Kleinarbeit, zu einem Perfektionismus, der in dieser frühen Phase des Romanschreibens die Kreativität blockieren kann. Zu welchem Zeitpunkt steige ich am besten in den Roman ein, in welcher Reihenfolge platziere ich die Szenen, wähle ich möglicherweise mehrere Perspektiven, Handlungsstränge, Zeitebenen, mit welchen Stilmitteln erzeuge ich die beste Wirkung beim Leser, …? Diese und viele weitere Fragen versuchte er schon zu beantworten, bevor er ein Gespür für die Geschichte entwickeln konnte. Wenn es dann beim eigentlichen Schreiben daran ging, die Komposition mit Leben zu füllen, hatte er oft die Geschichte selbst aus den Augen verloren und musste sie sich mühsam wieder aneignen.

Mit der Ploterzählung kann er hoffen, eine Phase einzuschieben, in der er seine Kreativität nicht bändigen muss und an deren Ende er die ganze Geschichte schon einmal komplett erzählt hat.

Als Bauchschreiber hatte Harry Drauflos bisher das Problem, dass er nahezu gar nicht komponiert, sondern eher improvisiert hat. Er hat sich von der Geschichte treiben lassen. Möglicherweise hatte er durchaus den Leser irgendwo im Hinterkopf, aber im Prinzip hat er die Geschichte zunächst einmal nur sich selbst erzählt. Er wäre beinahe geneigt zu sagen, er habe nur das aufgeschrieben, was ihm eine innere Stimme diktiert hat.

Das ging immer mehr oder weniger lange gut. Manchmal hatte er bereits den Schlusspunkt gesetzt, manchmal war es mittendrin, als ihm plötzlich eingefallen ist, dass es da noch den Leser gibt. Plötzlich traute er dem Geschriebenen nicht mehr. Nicht immer zu Unrecht, denn wenn er sich das Geschriebene durchlas, stellte er fest, dass er manche Frage, die er am Beginn des Romans aufgeworfen hatte, im Schreibprozess völlig aus den Augen verloren hatte. Oder dass seine Hauptfigur im Verlauf des Romans zu einer anderen geworden war, ohne dass sich dafür ein nachvollziehbarer Grund finden ließ. Irgendwo mitten in der Geschichte war plötzlich eine Figur aufgetaucht, die ihm so imponiert hatte, dass sie mehr und mehr Raum gewann und die eigentliche Hauptfigur in den Hintergrund drängte. Dann wechselte natürlich auch der Hauptkonflikt und es ging plötzlich um etwas ganz anderes als vorher, weshalb Harry die Geschichte auch nicht zu einem befriedigenden Ende führen konnte.

Sich in einer solchen Phase zu motivieren, das Geschriebene zu strukturieren, es in ein Konzept zu pressen, was meist auch bedeutet, sich von Liebgewordenem zu trennen, ist nicht leicht.

Das Besondere und Neue an der Ploterzählung ist für beide Harrys, dass sie (sich selbst) alles, was in und rund um ihren Roman geschieht, in lockerer, chronologischer Form erzählen. Es ist sozusagen ein Bauchschreiben in Notizen. Ein Zwischenschritt zwischen Exposé und Rohmanuskript. Er macht sowohl dem Planer als auch dem Bauchschreiber viele Zusammenhänge deutlicher, die sonst oft einen Zwiespalt zwischen dem Geplanten und der Ausführung darstellen, er verzeiht es leichter als ein Rohmanuskript, wenn mit dem Schreiber mal die Pferde durchgehen und er bietet eine vorläufige Übersicht über das zu schreibende Gesamtmanuskript.

Um die zu gewähren, ist es vorteilhaft, hinter jedem Satz einen Absatz zu machen. So werden die einzelnen Sätze zu eigenen Einheiten, die man beim späteren Plotten leicht neu anordnen kann. Denn, um es noch einmal zu betonen:

Nicht alles, was einem jetzt so in den Sinn kommt, soll ins spätere Manuskript!

Möglicherweise setzt das Manuskript viel später an als die Ploterzählung, weil diese eben auch die Vorgeschichten erzählt, die dem Autor die Zusammenhänge noch einmal vor Augen führen sollen. Es ist, als würde man einem Dritten erzählen, was in einem Buch (oder einem Film) geschieht. Selbst wenn dort erst nach und nach verraten wird, wer der Protagonist ist, was ihn zu dem gemacht hat, der er ist, und wie es zu den Verstrickungen in der Geschichte kommen kann, wird man für einen Dritten beim Nacherzählen meist etwa so beginnen:

„Lothiel ist ein 15-jähriges Mädchen, das gemeinsam mit ihren Eltern auf einem abseits gelegenen Hof lebt. Ihr Vater war früher Bogenschütze in einem vergangenen Krieg, ihre Mutter Heilerin. Beide hatten genug von Krieg und Tod und haben sich auf das Gehöft zurückgezogen, auf dem Lothiel nun aufwächst …“

Auch die übrigen Aspekte der Romankomposition fallen jetzt noch nicht ins Gewicht. Ob etwas später im Haupthandlungsstrang, in einer Nebenhandlung, aus Sicht des Protagonisten oder einer Nebenfigur, in einer ausführlichen Szene, gerafft oder als Rückblende erzählt wird, darüber machen sich die beiden Harrys in diesem Schritt noch keinen Kopf.

Und so könnte dann ein Teil der Ploterzählung aussehen:

Otto Normal ist auf dem Weg, den er sich immer erhofft hat.

Zwar verdient er sich bisher erst kleine Brötchen in einer Online-Redaktion, doch die ersten Schritte zum professionellen Journalismus sind gemacht.

Für eine große regionale Zeitung schreibt er immerhin schon hin und wieder Kolumnen und der Chefredakteur ist überzeugt von ihm.

Außerdem schreibt er an einem Roman.

Einen Krimi, in dem es um einen Mord aus Eifersucht geht.

Otto wird Mitglied in einem Internetforum für junge Autoren.

An einem Samstag hat er ein bisschen Zeit, um sich in dem Forum genauer umzuschauen.

Er trifft auf das Profil von Lea Lieblos.

Sie macht auf ihn einen sehr lebenslustigen Eindruck.

Auch ihr Humor fasziniert ihn.

Er entdeckt einen Link zu ihrem Blog, auf dem sie auch Fotos von sich ausgestellt hat.

Lea scheint etwa in seinem Alter zu sein und sieht aus wie eine brünette Marilyn Monroe.

Er ist hin und weg

So schreiben die beiden Harrys ihr Rohmanuskript in Stichpunkten. Das Prinzip ist das gleiche wie beim Bauchschreiben, aber eben dennoch auf einer leicht abstrahierenden Ebene. Wie detailreich man dabei vorgeht, wird vom jeweiligen Schreiber abhängen.

Wichtig ist aber, dass man die Geschichte auf diese Weise zu Ende schreibt und erst danach mit dem Strukturieren und Komponieren beginnt.

Dieser strukturierte Plot ist dann das Drehbuch für die Rohversion. Und das ist beim weiteren Schreiben sicher manchem mit all seinen kompositorischen Wendungen bereits so ins Blut übergegangen, dass es nur noch als Orientierung dienen muss.

Harry Plotter: Das Arbeitsexposé

Der Konflikt steht, nun wenden sich unsere Harrys dem Arbeitsexposé zu. Dabei geht es darum, sich eine grobe Übersicht über den roten Faden der Handlung zu verschaffen, um sich während der weiteren Arbeit daran orientieren zu können.

Harry Planer hat es lieber, wenn er seine Figuren bereits von Anfang an kennt, daher fertigt er zunächst zu allen ihm zu diesem Zeitpunkt bekannten Figuren Charakterblätter an. In die schreibt er alle Informationen, die er sich zu den Figuren ausdenkt. Dabei achtet er einerseits darauf, dass er mehr Informationen über die Figur anhäuft, als er im Roman überhaupt verwenden kann. So wird ihm beim Schreiben automatisch eine rundere, stimmigere Figur gelingen. Andererseits behält er bei der Figurenentwicklung seinen Romankonflikt im Hinterkopf, um Figuren zu erschaffen, deren Eigenschaften den Anforderungen des Konflikts genügen. Wie so ein Charakter- oder Figurenblatt aussehen könnte, seht ihr hier. Bei jeder Figur, die hinzukommt, unterbricht Harry Planer seine Arbeit und beschäftigt sich auf diese Weise mit der Figur.

Auch Harry Drauflos fertigt sich solche Figurenblätter an, allerdings lernt er seine Figuren lieber beim Schreiben kennen. Zu Beginn sind seine Notizen zu seinem Romanpersonal also eher spärlich und wachsen erst nach und nach an.

Auch mit dem Exposé sieht es Harry Drauflos etwas lockerer als Harry Planer, weiß er doch, dass es vor allem der darauf folgende Schritt ist, der ihm als Bauchschreiber entgegenkommt. Er schreibt mehr oder weniger nur die Gedanken auf, die ihm bereits zum Roman gekommen sind und bringt sie in eine geordnete Reihenfolge. Immerhin achtet er dabei darauf, nicht zu sehr vom Weg abzukommen und sich am Hauptkonflikt zu orientieren:

Otto Normal ist ein zielstrebiger Typ, der mit aller Konsequenz versucht, das umzusetzen, was er erreichen will. Er möchte gern Journalist werden und jobbt daher in einer Onlineredaktion.

In einem Internetforum lernt er Lea Lieblos kennen und verliebt sich in sie. Doch sie lebt in München, er in Hamburg. Obwohl er gerade ein gutes Angebot bekommen hat, entschließt er sich nach München zu ziehen, um um Lea zu werben. Er lässt in Hamburg alles zurück.

Doch alle Annäherungsversuche an Lea scheitern. Schließlich bietet sich Otto allerdings doch noch eine Chance. Leas Vater leitet einen Verlag, in dem auch seine Tochter arbeitet, und dessen Standbein der Groschenheftmarkt ist. Otto widerstrebt es eigentlich, diese Art Literatur zu schreiben, doch er erstellt ein Manuskript und erhält einen Verlagsvertrag.

Tatsächlich gelingt es ihm so, die Aufmerksamkeit von Lea zu bekommen, und es scheint, als wäre sie dabei, sich in ihn zu verlieben. Doch dann lernt sie Sigurd Schneller kennen und ist hin und weg von ihm. Als Otto davon erfährt, bringt er sich um.

 

Harry Planers Exposé fällt ausgefeilter und detaillierter aus. Manche Wendung, auf die Drauflos möglicherweise erst beim Schreiben kommt, kann er bereits in den theoretischen Vorüberlegungen abstrahieren und so in sein Exposé aufnehmen:

Otto Normal ist auf dem Weg, den er sich immer erhofft hat. Zwar verdient er sich bisher erst kleine Brötchen in einer Online-Redaktion, doch die ersten Schritte zum professionellen Journalismus sind gemacht. Für eine große regionale Zeitung schreibt er immerhin schon hin und wieder Kolumnen und der Chefredakteur ist überzeugt von ihm. Trotz Personalabbaus erhält Otto das Angebot zunächst als freier Mitarbeiter und bald schon als festes Mitglied der Redaktion für die Zeitung zu arbeiten.

In seiner Freizeit schreibt er an einem Roman, für den er bereits einen Agenturvertrag bei einer namhaften Literaturagentur unterschreiben durfte, die sogar schon von interessierten Verlegern weiß.

Auch durch Freundeskreis und Familie ist Otto Normal fest in seiner Heimatstadt Hamburg verwurzelt.

Doch dann stößt Otto in einer Literaturcommunity im Internet auf Lea Lieblos. Sie fasziniert ihn mit ihren Texten und ihrem Intellekt. Ihre Fotos rauben ihm den Atem. Zu seiner eigenen Überraschung verliebt er sich Hals über Kopf in die Münchnerin.

Sie schreiben sich Mails und er gibt viel von sich preis. Sie erzählt ihm vom Verlag ihres Vaters, in dem sie arbeitet.

Ottos Gedanken drehen sich nur noch um Lea und er offenbart im Kreise seiner Freunde erstmals den Gedanken, zu ihr nach München zu ziehen. Seine Freunde raten ihm ab, schließlich sei er in Hamburg dabei, sich ein gutes Standbein aufzubauen und wisse doch gar nicht, ob Lea seine Liebe erwidere. Obwohl er sich der Unvernunft bewusst ist, glaubt Otto allerdings fest an die Gegenseitigkeit der Gefühle zwischen ihm und Lea. Um seinem Schwärmen eine solide Grundlage zu geben, redet er sich ein, der Verlag von Leas Vater wäre auch beruflich eine gute Perspektive für ihn und mit ihr an seiner Seite wäre es ein Leichtes, in den Verlag hineinzukommen und vielleicht sogar seinen Roman dort unterzubringen.

Otto setzt seinen Plan in die Tat um und zieht nach München. Noch am Tag seiner Abreise erhält er per Post ein sehr gutes Angebot von der Hamburger Zeitung, doch seine Entscheidung steht fest.

Schon das erste Treffen zwischen Lea und Otto verläuft anders als erwartet. Lea freut sich, Otto kennenzulernen, ist freundlich und offen, überrascht ihn aber am Ende, als sie sich von ihrem Freund abholen lässt.

Otto ist am Boden zerstört. Noch könnte er alles rückgängig machen und zurück nach Hamburg gehen. Doch er entscheidet sich, nicht aufzugeben, weil er sich sicher ist, dass er sich in den Gefühlen von Lea nicht getäuscht haben kann. Er glaubt, er müsse ihr nur Zeit geben, ihn noch besser kennenzulernen.

Er hält den Kontakt zu Lea aufrecht und die beiden unterhalten sich viel über ihr Schreiben. Otto kann auch von München aus für die Onlineredaktion schreiben und nutzt die verbleibende Zeit, um weiter an seinem Manuskript zu arbeiten. Sehr viel Hoffnung setzt er auf ein Gespräch mit Leas Vater, das sie ihm organisiert hat.

Otto will Leas Vater sein Manuskript vorstellen, doch er bekommt schnell mit, dass er sich in dessen Verlag getäuscht hat. Solchen Thrillerkram würde man dort nicht veröffentlichen, ob er sich nicht vorstellen könne, einen Liebesroman in guter alter Heftromantradition zu schreiben. Otto lehnt zunächst ab und ist empört, dass ihm Lea derartiges offenbar zugetraut hat.

Otto stellt Lea beim nächsten Treffen zur Rede. Sie erklärt, dass sie dachte, er wisse, um was für einen Verlag es sich handelt, man informiere sich doch schließlich vorher. Im Übrigen solle er nicht so arrogant sein, es erfordere Disziplin und Handwerk, einen solchen Roman zu schreiben, dafür könne man damit auch einiges verdienen. Aber vermutlich sei er sowieso nicht der Richtige für einen solchen Job.

Otto fühlt sich verletzt und zurückgesetzt. Doch dann merkt er, dass da noch mehr ist. Lea wirkt traurig und abwesend. Als er nachfragt, beginnt sie zu weinen und offenbart ihm, ihr Freund sei ihr fremdgegangen und nun enttäusche Otto sie auch noch.

Otto tröstet Lea und verspricht ihr, es mit einem Liebsroman zu versuchen. Lea und er landen im Bett, alles scheint sich zum Guten zu wenden.

Otto verschiebt die Arbeit an seinem Manuskript zugunsten des Liebesromans. Die Arbeit daran macht ihm keinen Spaß, aber er kommt gut voran. Seinen Agenten vertröstet er mit Ausreden. Mit Lea läuft es gut. Als Leas Vater den Liebesroman veröffentlichen will, schenkt Otto seinem Agenten reinen Wein ein und verspricht, nun am Vertragsmanuskript weiterzuarbetien.

Otto nimmt sich vor, Lea einen Heiratsantrag zu machen. Als er mit ihram Vater zusammensitzt und das Thema ansprechen will, fragt der nach einem weiteren Liebesroman. Otto will seinen zukünftigen Schwiegervater nicht verärgern und sagt zu.

Otto macht Lea den Antrag, doch die fühlt sich überrumpelt und bittet sich Bedenkzeit aus. In dieser Zeit lernt sie Sigurd Schneller kennen und verliebt sich auf den ersten Blick.

Ottos Agent teilt ihm mit, dass er nicht bereit ist, länger auf das Manuskript zu warten. Dann will sich Lea mit ihm treffen und Otto glaubt, sie wolle nun seinen Antrag annehmen. Stattdessen erfährt er, dass sie spontan mit Sigurd Schneller nach Hamburg ziehen wird.

Von Eifersucht und Enttäuschung getrieben folgt Otto Lea. Als er sie mit Sigurd in inniger Umarmung sieht, wirft er sich vor einen heranfahrenden LKW.

Harry Plotter: Der Konflikt

Bevor es an ein Arbeitsexposee gehen kann, will Harry Planer sich noch einmal den Hauptkonflikt seiner Geschichte deutlich machen und ihn notieren. Ihm ist klar, dieser Hauptkonflikt ist der, den seine Hauptfigur austrägt. Und ihm ist klar, dass der Konflikt seiner Hauptfigur (des Protagonisten) dadurch entsteht, dass ihr vorrangiges Ziel auf Widerstände stößt, die es zu überwinden gilt.

In seinem Fall besteht das Ziel seines Protagonisten darin, die Angebetete zu erobern. Hätte er dabei leichtes Spiel, weil er ein Scharmbolzen ist und seine Liebe seine Gefühle sofort erwidert, gäbe es keinen Konflikt und die Geschichte würde sich kaum für einen Roman eignen.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, für einen Konflikt zu sorgen. Zum Beispiel könnte der Protagonist sich selbst im Weg stehen, weil er ein hoffnungsloser Trottel ist, der auch beim Werben um seine große Liebe alles falsch macht. Ein klassischer Komödienkonflikt. Aber eine Komödie will Harry Planer nicht erzählen.

Auch die äußeren Umstände könnten eine Rolle spielen. Kleinere und größere Katastrophen könnten immer wieder verhindern, dass der Prota überhaupt in die Nähe seiner potentiellen Ehefrau kommt. Oder die Hauptfigur ist äußerlich alles andere als attraktiv, sodass sie einen ordentlichen Kampf auszufechten hat, um Fräulein „Ichbinsoschön“ von den inneren Vorzügen zu überzeugen. Und natürlich könnten die Widerstände auch sozialer Natur sein, entweder weil es das erwähnte Fräulein selbst ist, das sich sträubt, sich unter ihrem Stand zu verlieben, oder weil es deren Familie (oder Teile davon) ist, die bei dem Be- und Umwerber die Nase(n) rümpft.

Harry Planer ruft sich seine Grundidee ins Gedächtnis. Er will das Scheitern seines Protagonisten zeigen. Dabei geht es ihm weniger um dessen individuelles Scheitern, sondern mehr darum, zu zeigen, dass ein solches Scheitern jeden treffen kann, der sein Leben komplett auf ein Ziel ausrichtet. Wenn sein Protagonist also aufgrund eher individueller Besonderheiten (zum Beispiel seines Äußeren) scheitern würde, käme das dieser Idee nicht zugute.

Harry Planer entscheidet sich also, einen Normalo als Protagonisten zu wählen, der weder besonders unattraktiv noch das Gegenteil davon ist, gesellschaftlich nicht allzuweit von seiner Traumfrau entfernt und weder absoluter Herzensbrecher noch Liebestrottel. Was ihn sein Ziel nicht ohne Weiteres erreichen lässt, ist demnach einzig und allein, die nicht gleich erwiderte Liebe.

Als Konflikt notiert sich Harry Planer, nachdem er seinen beiden Hauptfiguren Namen gegeben hat:

Otto Normal versucht die Liebe von Lea Lieblos zu erringen, die seine Gefühle nicht erwidert.

 

Harry Drauflos hat es leichter. Er exzerpiert den Konflikt einfach aus dem, was ihm sein Chef erzählt hat. Zur Verfremdung ändert er die Namen, wobei er, einer glücklichen Fügung für den Blogverfasser sei Dank, zufälligerweise genau dieselben Namen wählt wie Harry Planer. Er notiert:

Otto Normal liebt Lea Lieblos. Doch sie liebt ihn nicht.

 

Anmerkungen:

1. Der fertige Konflikt mag simpel wirken, aber zum einen hat vor allem Harry Planer sicherlich zeigen können, dass die Überlegungen dazu gar nicht so simpel sein müssen, zum anderen sind auf den Punkt gebrachte Hauptkonflikte, die ja durch die Geschichte und mögliche Nebenkonflikte erst gefüttert werden müssen, meist recht simpel: Der Kommissar will den Mörder überführen, aber der will sich nicht überführen lassen. Robinson will überleben, aber die Insel scheint dafür wenig geeignet. Frodo muss die Welt vor Sauron retten, aber der hat etwas dagegen.

2. Auch wenn man es hier nicht sofort erkennen mag, der Antagonist in diesem Konflikt ist Lea Lieblos. Antagonisten sind nicht immer klassische Bösewichte wie Sauron, Lord Voldemort oder Dr. No. Sie sind nicht einmal immer Personen. Der Antagonist ist einfach der, die oder das, der, die oder das den Zielen des Protagonisten im Weg steht. Das kann ein Bösewicht sein, aber auch eine sympathische Figur, deren nachvollziehbare Interessen denen des Protas entgegenstehen (z. B. der härteste Konkurrent des 100 Meter-Läufers), der Berg, den der Bergsteiger bezwingen will, der innere Schweinehund oder eine bestimmte Eigenschaft des Protagonisten, die seinem Ziel im Weg steht (z.B. die körperliche Behinderung des Sportlers oder die Bindungsangst eines Mannes, der seine große Liebe heiraten will).

Was die Hauptfigur frühstückt

Tom erwachte wie jeden Morgen, als sein grüner Wecker klingelte. Er stand auf und streckte sich. Dann ging er schlaftrunken ins Bad. Er schaute in den Spiegel. Lamgsam zog er seinen weiß-blauen Schlafanzug aus, gähnte, ging zur Dusche und stellte das Wasser an. Dann stellte er sich selbst unter den Wasserstrahl. Er duschte etwa 14 Minuten. Nach dem Duschen trocknete er sich ab. Er zog seinen blauen Bademantel an und schlurfte in die Küche. Dort stellte er das Radio an und summte leise die Melodie von „Bodies“ von Robbie Williams mit. Dabei öffnete er den Kühlschrank und holte Butter, Erdbeermarmelade, Leberwurst und Frischkäse heraus. Er stellte alles auf den kleinen Küchentisch und deckte noch einen Teller, ein Messer und eine Kaffeetasse dazu. Dann holte er noch die …

Sicher seht ihr schon, worauf ich hinaus will. Eine Geschichte, wie wir sie lesen wollen, ist kein minutiöses Protokoll. Sie entwickelt sich, indem sie die für die Erzählung relevanten Augenblicke aus dem fiktiven Leben ihrer Protagonisten herausgreift. Der Erzähler wählt aus. Und zwar nur das, was für die Geschichte wichtig ist. Dazu gehören nur die Dinge, die entweder unmittelbar oder vorausgreifend für die Entwicklung des erzählten Konflikts bedeutend sind. Außerdem entsprechend diejenigen, die die Nebenhandlungen vorantreiben. Und mit beidem verknüpft solche Passagen, die dem Leser wichtige Informationen über die handelnden Figuren, Örtlichkeiten und weitere Umstände liefern.

Alltäglichkeiten wie die morgendlichen Rituale beim Aufstehen, bei der Morgentoilette und dem Frühstück gehören in den seltensten Fällen dazu. Nur wenn dem Leser damit etwas Wichtiges gezeigt werden soll (zum Beispiel, dass die ansonsten überpenible Hauptfigur morgens erst eine Weile braucht, um in diese Rolle zu schlüpfen), können auch solche Alltäglichkeiten ihren Platz in der Geschichte verdient haben.

Gleiches gilt übrigens auch für Ereignisse, die vielleicht gar nicht so alltäglich erscheinen. Wenn ein Protagonist nur deshalb auf eine feuchtfröhliche Feier geht, weil der Autor mal eben das Bedürfnis hatte, ein paar Partyszenen zu schildern, dann erfüllen diese Szenen in der Geschichte selbst keinen Zweck und sollten schleunigst wieder gestrichen werden.

Formfehler

Es ist schön, wenn die Gedanken fließen. Erst einmal. Irgendwann, und sei es, nachdem sie komplett in die erste Manuskriptfassung geflossen sind, sollte man sie auch einmal ordnen. Das meine ich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal.

Immerhin wissen die meisten Schreiber, dass man einen Roman in Kapitel unterteilen kann. Aber bei manchem hört dann die Ordnungswut schlagartig auf und er überlässt diese Arbeit dem Leser. Der wird sich bedanken und bald ermüdet aufgeben. Denn niemand will einen Text lesen, der sich vom Anfang in einem riesigen schwarzen Block bis zum Ende zieht. Also heißt es: Mut zum Weiß.

Die Absatzgestaltung ist Aufgabe des Autors! Seltsamerweise haben viele der angehenden Autoren Schwierigkeiten damit, scheuen sich, Absätze zu setzen, weil sie nicht wissen, wo. Ich sage, im Zweifel besser zu viele als zu wenige.

Besser wäre natürlich, würde der Autor seine Absatzgestaltung inhaltlich begründen können. Absätze dienen nämlich der Untergliederung eines Textes in Sinneinheiten.

Wie genau der Autor seinen Text untergliedert, ist ihm überlassen. In der Regel bietet es sich aber an, den längeren Text zunächst in Kapitel, dann in einzelne Szenen und schließlich in die eigentlichen Absätze zu teilen.

Dabei werden die Szenen jeweils deutlicher voneinander getrennt, als die weiter gliedernden Absätze, so zum Beispiel durch eine Leerzeile. Szenen ergeben sich dabei häufig durch einen Wechsel der Zeit, des Ortes und / oder der Figuren. Jede bessere Szene hat ihre eigene Dramaturgie, ihren eigenen Konflikt und ihren eigenen Höhepunkt.

Aber auch innerhalb einer solchen Szene gibt es kleinere Sinneinheiten, denen wir jeweils kleine Überschriften geben könnten (die natürlich nicht im fertigen Manuskript auftauchen!). Stellen wir uns eine Szene vor, in der eine Frau ein Essen zubereitet, während sie darauf wartet, dass ihr verhasster Mann nach Hause kommt. Wir unterteilen diese Szene in 5 Absätze (ohne Leerzeilen):

  1. Sie kocht:
    Die Frau ist mit Tätigkeiten des Kochens beschäftigt (Rühren, Würzen, usw.).
  2. Sie denkt an ihren Mann:
    Ihre Gedanken schweifen ab und sie resümiert den Niedergang der Beziehung zu ihrem Mann.
  3. Das Essen droht zu verbrennen:
    Die Frau wird in die Gegenwart zurückgerissen, gerät in Panik, kann das Essen aber noch retten.
  4. Das Gift:
    Die Frau holt eine Flasche aus dem Schrank, auf der ein Totenkopf zu sehen ist. Vorsichtig gibt sie ein paar Tropfen ans Essen.
  5. Ruhe:
    Die Frau setzt sich an den Küchentisch und zündet sich lächelnd eine Zigarette an. Der Absatz beschließt die Szene.

Die nächste Szene beginnt damit, dass die Frau den Mann nach Hause kommen hört.

Wie gesagt: Wie genau der Autor die Absätze wählt, ist seine Sache. Hauptsache, er untergliedert überhaupt. Besser noch: Seine Untergliederung lässt sich vom Leser nachvollziehen!