Der Begreifler über Überarbeitung

Der Begreifler, Foto: Stocksnapper

Der Begreifler
(Foto: © Stocksnapper)

Dass Lektor*innen quasi ständig überarbeitet sind, ist eine Tatsache, aber nicht Thema dieses Artikels.

Es geht darum, dass du, wenn du deinen Text zur Bearbeitung an eine*n freie*n Lektor*in übergeben willst, ihn vorher in eigenem Interesse so weit überarbeitest, dass du selbst ihn zu diesem Zeitpunkt nicht weiter verbessern könntest.

Zum einen wäre es doch rausgeschmissenes Geld, wenn du für eine Arbeit, die du selbst hättest erledigen können, eine*n Lektor*in bezahlst. Zum anderen hängt das Endergebnis immer auch davon ab, wie gut bereits der Ausgangstext ist.

Also, je besser der Text ist, den du ins Lektorat gibst, desto besser wird der sein, den du vom Lektorat zurückbekommst.

Morgen wird übrigens im Rahmen der Reihe „Der Romanschreiber“ auf „Hilfe für Autoren“ der erste Teil einer umfangreichen Artikelreihe zum Thema „Überarbeiten deines Romans“ erscheinen.

Lektorat gibts nicht für jeden

Lektoratspraxis, Foto: Dmitriy Shironosov

© Dmitriy Shironosov

Ja, der Titel ist ein wenig provokativ, dennoch nicht übertrieben. Zwar bin ich als freier Lektor Dienstleister, aber eben auch frei, mir die Aufträge, die ich bearbeiten will, auszuwählen.

Dabei geht es nicht um Sympathien oder nach sonstigen undurchsichtigen Gründen, sondern schlicht und ergreifend danach, was ich mir zutraue. Das wiederum klingt nun bescheidener, als es gedacht ist. Zwar gibt es natürlich Aufträge, für die ich mich – aus welchen Gründen auch immer – als nicht kompetent einstufe, doch sind die in diesem Artikel nicht gemeint.

Gemeint sind solche Fälle, in denen ich schlichtweg ablehne, einem Text mehr als ein Korrektorat, vielleicht noch ein Stillektorat angedeihen zu lassen. Ja, das kommt vor. Und nicht aus purer Arbeitsverweigerung. Denn es ist etwas grundlegend anderes, ein Manuskript zu korrigieren, also von orthografischen und sonstigen grammatikalischen Fehlern zu befreien, oder es zu lektorieren.

Spätestens das Komplettlektorat ist darauf ausgerichtet, die Manuskriptvorlage in jeder Hinsicht so zu verbessern, dass dabei idealerweise das (natürlich aus meiner subjektiven Sicht) bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Ein Ziel, das ohnehin auf wackeligen Beinen steht. Oft lassen sich Kompromisse nicht vermeiden und immer sind meine Anmerkungen nur Vorschläge, die der Autor nach eigenem Belieben umsetzen kann. Vor allem aber führt ein solcher Auftrag zu einem einmaligen Lektoratsdurchgang, stellt also im Vergleich zur Textredaktion (wie sie in jedem besseren Verlagslektorat angestrebt wird) oder gar der Manuskriptbetreuung (Coaching) gerade mal den ersten Schritt auf dem Weg zum gerade angeführten Ziel dar.

Und – da kommen wir zum springenden Punkt – wie gut das bestmögliche Ergebnis überhaupt sein kann, hängt eben vom Ursprungstext ab. Auch ein Komplettlektorat ist kein Ghostwriting. Und es kann eben sein, dass ich einen Text bekomme, bei dem ich (und wieder betone ich meine subjektive Sicht) keine anderen Mittel und Wege zu einer merklichen Verbesserung sehe, als den Text neu zu schreiben. Ein Lektorat, wie komplett auch immer, kann da aus meiner Sicht nichts ausrichten und wäre daher auch für den Autor rausgeschmissenes Geld. Vor allem aber traue ich es mir wie gesagt nicht zu, denn an einem Text, weil es der Autor eben so wollte, nur irgendwie herumzudoktern, kann ich nicht.

Ich biete in solchen Fällen meist folgende alternative Möglichkeiten an:

  • ein Korrektorat, damit der Text sich wenigstens weitgehend fehlerfrei präsentieren kann.
  • Coaching, damit der Autor, so er den Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen besitzt, die Chance hat, meine Kritik am Text nachzuvollziehen und mit meiner Hilfe anzugehen (was letztlich meist bedeutet, noch einmal ganz von vorn zu beginnen).
  • Schließlich steckt es schon im Ablehnungsgrund: Ghostwriting, was verständlicherweise für einen Autor nur schwerlich eine Alternative darstellt.
  • Logischerweise muss sich niemand mit meinem Urteil zufriedengeben, und jeder kann sich anderswo umhören.

Lexem-Taktik

Seit einiger Zeit verdrängt ja bei ProSieben der sogenannte Quizbreak manche Werbepause.

War es anfangs so, dass erst gegen Ende des Breaks ein Anrufer durchgestellt wurde, um ein oft lächerlich einfaches Quiz zu lösen und dafür eine nette, aber nicht übermäßig hohe Geldsumme zu gewinnen, scheinen die Strategen der Sendung inzwischen eine bessere Möglichkeit gefunden zu haben, an das Geld der Zuschauer zu kommen.

Noch immer scheinen die Quizfragen einfach, dafür wurden die Gewinnsummen drastisch erhöht und steigen nahezu im Sekundentakt weiter an. Mindestens ebenso häufig werden Anrufer durchgestellt und dürfen ihre Lösungsvorschläge präsentieren.

Der Trick:

Aus einer Vielzahl möglicher Antworten müssen die Anrufer drei vorausgewählte erraten. Heißt die Aufgabe etwa, einen weiblichen Vornamen mit einem A an zweiter Stelle zu nennen, bringt der Name Barbara nur dann den Gewinn, wenn er zu den drei abgedeckten Namen gehört, die die Redaktion gewählt hat. Allein dadurch wird aus dem Quiz ein reines Glücksspiel.

Nun wird von den Moderatoren ständig betont, die vorausgewählen Namen wären ganz bekannte, also keine, die man nicht erraten könne. Aber welcher Anrufer kommt schon auf Shakira?

Besonders trickreich und sprachlich interessant war aber das Folgende:

Nennen Sie ein Wort mit Hand…

Jetzt bitte ich meine werten Blogbesucher, sich mögliche Lösungen zu überlegen. Was fällt euch ein? Handtasche vielleicht? Oder Handtuch?

Ihr solltet versuchen, Wörter zu finden, auf die man nicht gleich kommt. Handballen zum Beispiel. Oder Handstreich.

Auch alles falsch. Tatsächlich waren die abgedeckten Wörter solche, die durchaus sehr gebräuchlich sind. Und doch würde niemand darauf kommen!

Handballtrainer oder Handtuchhalter bestehen nämlich aus drei Lexemen, während der normale Rätsler bei der Frage automatisch denkt, er müsse dem Lexem Hand nur ein weiteres hinzufügen.

Fazit: Die Abzocke funktioniert umso besser: Die hohen Gewinne locken mehr Anrufer, müssen aber nicht ausgezahlt werden. Clever, oder?

Wie wird man eigentlich Lektor?

Im Prinzip ist das nicht schwieriger, als Autor zu werden. Man geht herum und erzählt es jedem. Kommt man dabei zufällig beim Finanzamt vorbei, erzählt man es dort auch, meldet sich als Freiberufler an und bekommt eine Steuernummer.

Was sagt uns das? Um Lektor zu werden braucht es keine Ausbildung. Die gibt es in diesem Sinne auch gar nicht. Und die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt.

Will man nun mehr, als nur mit diesem schmucken Titel herumlaufen, muss man als nächstes andere davon überzeugen, dass hinter dem Titel mehr steckt, dass man ihn auch verdient. Genau genommen hat man es als angehender Lektor da noch leichter als der Autor. Der muss immerhin mal einen Text verfassen, besser noch, ihn auch veröffentlichen.

Ist man gewitzt und vor allem dreist genug, schaut sich ein bisschen in einschlägigen Foren im Internet um, stehen die Chancen als noch unbeleckter Lektor gar nicht schlecht, jemanden von seinen Fähigkeiten zu überzeugen und einen ersten Job an Land zu ziehen, ganz allein durch rhetorische Überredungskünste. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird es für denjenigen, der möglicherweise längerfristig als Lektor Geld verdienen möchte, allerdings wichtig, wenigstens ein bisschen sprachliche und literarische Kompetenz aufzuweisen. Je mehr, desto besser.

Wie und wo er sich die erworben hat, ist eigentlich egal. Allerdings führt das Fehlen einer direkten Lektorenausbildung eben gerade dazu, dass Referenzen sehr gefragt sind. Da der Neuling die schwerlich bereits haben kann, macht es sich zumindest gut, wenn er die Liste mit einem Studium der Sprach- und/oder Literaturwissenschaft beginnen kann. Natürlich helfen auch andere Tätigkeiten, die eine Kompetenz im Umgang mit Texten nahelegen.

Und obwohl es gar nicht unbedingt gegeben ist, dass ein Autor auch gut lektorieren kann (wie es auch Lektoren gibt, die bei eigenen Texten eher untalentiert sind), trägt auch eine Veröffentlichungsliste zur Referenz bei.

Was man als Lektor im Einzelnen alles können sollte und womit man sich eigentlich beschäftigt, wird das Thema meines nächsten Beitrags.