Ein Gedicht von Format

Wie ein Gedicht aussieht, weiß ja jeder. In der Regel ist es in mehrere Strophen zu jeweils mehreren Zeilen unterteilt. Im Folgenden finden wir ein Beispiel für ein ganz regelmäßiges Gedicht, das aus drei Strophen zu je vier Zeilen besteht:

Philipp Bobrowski: Der Ball

Philipp Bobrowski: Der Ball

Wie ist nun diese Form im Textprogramm entstanden? Durch entsprechendes Drücken der Entertaste natürlich, werdet ihr euch wahrscheinlich denken. Am Ende jeder Zeile einmal, nach dem Titel und am Ende jeder Strophe jeweils ein zweites Mal. Vermutlich würde es zumindest ein großer Teil von euch so machen.

Schalten wir im Textprogramm über die Optionen die Formatierungszeichen für den Absatz hinzu, würde sich also folgendes Bild ergeben:

Philipp Bobrowski: Der Ball (mit Absatzmarken)

Philipp Bobrowski: Der Ball (mit Absatzmarken)

Diese Formatierung birgt aber die verschiedensten Probleme. Die Absatzmarken heißen ja nicht umsonst so, sie markieren nicht das Ende einer Zeile, sondern das Ende eines Absatzes. Und eine Strophe eines Gedichts sollte eigentlich insgesamt einen Absatz bilden. Haben wir es mit einem langen Gedicht zu tun, das über mehrere Seiten geht, können so die Strophen beim Seitenumbruch unschön auseinandergerissen werden.

Auch für Satz und Druck stellt eine solche Formatierung ein Problem dar. Am eindrücklichsten wird uns aber das Problem, wenn wir das Gedicht ins Internet hochladen. Auf vielen Seiten (häufig z. B. auch auf WordPress-Blogs) werden die Zeilen auf einmal förmlich auseinandergezogen und auch die Abstände zwischen den Strophen vergrößern sich deutlich, was daran liegt, dass die Seite jede Zeile als einen Absatz liest und einen entsprechenden Abstand vorsieht. Wo der Dichter keine Abhilfe weiß, sehen die Ergebnisse im Netz dann recht unschön aus (gut, hier geht es noch, hab schon Schlimmeres gesehen; WordPress killt außerdem Leerabsätze, weshalb die Strophen zusammenfallen):

Der Ball

Vorbei das Spiel, hinfort die Presse,

noch trotzt der Ball dem Desint’resse

der Spieler, die sich abgewandt,

zu andern Freuden sich bekannt.

Längst fühlt der Ball sich nicht mehr prall,

ist unrund und nicht ausgeglichen,

erwartet sorgenvoll den Fall,

wenn alle Luft aus ihm entwichen.

So ist das Schicksal, das im droht,

der endgültige Gesellschaftstod,

durch ihn erst recht nicht aufzuhalten,

will seine Sorgen nur verwalten.

Mit der richtigen (und korrekten) Formatierung lässt sich das vermeiden:

Philipp Bobrowski: Der Ball (mit Absatzmarken, korrekt formatiert)

Philipp Bobrowski: Der Ball (mit Absatzmarken, korrekt formatiert)

Nun sehen wir, dass der größte Teil der Absatzmarken einem anderen Formatierungszeichen gewichen ist, dem für den reinen Zeilenumbruch nämlich. Erzeugt wird er durch gleichzeitiges Drücken der Umschalt- und der Entertaste. Wir haben jetzt also einen Text, der aus insgesamt vier Absätzen besteht, nämlich dem Titel und den drei Strophen.

Wer genau hinschaut, dem wird außerdem auffallen, dass der Abstand zwischen den Absätzen offenbar nur mit einem einmaligen Drücken der Entertaste erzeugt wurde.  Denn über die Absatzformatierung (Format – Absatz) wurde ein automatischer Abstand nach jedem Absatz eingestellt, in diesem Fall einer, der genau einer Zeile entspricht, nämlich 12 Punkt.

Aber Achtung, wer sein Manuskript an einen Verlag schickt, sollte darauf achten, ob letztere Formatierung, die sich natürlich auch für die Absätze in Prosatexten einstellen lässt, vom Verlag gewünscht wird. Andernfalls belässt man den Abstand nach dem Absatz auf 0 Punkt und drückt stattdessen die Entertaste zweimal.

Formfehler

Es ist schön, wenn die Gedanken fließen. Erst einmal. Irgendwann, und sei es, nachdem sie komplett in die erste Manuskriptfassung geflossen sind, sollte man sie auch einmal ordnen. Das meine ich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal.

Immerhin wissen die meisten Schreiber, dass man einen Roman in Kapitel unterteilen kann. Aber bei manchem hört dann die Ordnungswut schlagartig auf und er überlässt diese Arbeit dem Leser. Der wird sich bedanken und bald ermüdet aufgeben. Denn niemand will einen Text lesen, der sich vom Anfang in einem riesigen schwarzen Block bis zum Ende zieht. Also heißt es: Mut zum Weiß.

Die Absatzgestaltung ist Aufgabe des Autors! Seltsamerweise haben viele der angehenden Autoren Schwierigkeiten damit, scheuen sich, Absätze zu setzen, weil sie nicht wissen, wo. Ich sage, im Zweifel besser zu viele als zu wenige.

Besser wäre natürlich, würde der Autor seine Absatzgestaltung inhaltlich begründen können. Absätze dienen nämlich der Untergliederung eines Textes in Sinneinheiten.

Wie genau der Autor seinen Text untergliedert, ist ihm überlassen. In der Regel bietet es sich aber an, den längeren Text zunächst in Kapitel, dann in einzelne Szenen und schließlich in die eigentlichen Absätze zu teilen.

Dabei werden die Szenen jeweils deutlicher voneinander getrennt, als die weiter gliedernden Absätze, so zum Beispiel durch eine Leerzeile. Szenen ergeben sich dabei häufig durch einen Wechsel der Zeit, des Ortes und / oder der Figuren. Jede bessere Szene hat ihre eigene Dramaturgie, ihren eigenen Konflikt und ihren eigenen Höhepunkt.

Aber auch innerhalb einer solchen Szene gibt es kleinere Sinneinheiten, denen wir jeweils kleine Überschriften geben könnten (die natürlich nicht im fertigen Manuskript auftauchen!). Stellen wir uns eine Szene vor, in der eine Frau ein Essen zubereitet, während sie darauf wartet, dass ihr verhasster Mann nach Hause kommt. Wir unterteilen diese Szene in 5 Absätze (ohne Leerzeilen):

  1. Sie kocht:
    Die Frau ist mit Tätigkeiten des Kochens beschäftigt (Rühren, Würzen, usw.).
  2. Sie denkt an ihren Mann:
    Ihre Gedanken schweifen ab und sie resümiert den Niedergang der Beziehung zu ihrem Mann.
  3. Das Essen droht zu verbrennen:
    Die Frau wird in die Gegenwart zurückgerissen, gerät in Panik, kann das Essen aber noch retten.
  4. Das Gift:
    Die Frau holt eine Flasche aus dem Schrank, auf der ein Totenkopf zu sehen ist. Vorsichtig gibt sie ein paar Tropfen ans Essen.
  5. Ruhe:
    Die Frau setzt sich an den Küchentisch und zündet sich lächelnd eine Zigarette an. Der Absatz beschließt die Szene.

Die nächste Szene beginnt damit, dass die Frau den Mann nach Hause kommen hört.

Wie gesagt: Wie genau der Autor die Absätze wählt, ist seine Sache. Hauptsache, er untergliedert überhaupt. Besser noch: Seine Untergliederung lässt sich vom Leser nachvollziehen!